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Die Archäologie revolutioniert das Urmenschenbild: „Fettfabrik“ aus der Steinzeit entdeckt

Schon vor 125.000 Jahren gewannen Neandertaler gezielt Fett aus Knochen. Eine Ausgrabung in Sachsen-Anhalt bringt sensationelle Erkenntnisse über ihre Überlebenskunst ans Licht.

Was für eine Entdeckung! In der Ausgrabungsstätte Neumark-Nord im Geiseltal, Sachsen-Anhalt, haben Archäologen Beweise gefunden, dass Neandertaler schon vor 125.000 Jahren wahre Meister der Fettgewinnung waren. Wo heute Felder und Wälder liegen, lag damals ein See, an dessen Ufer Neandertaler systematisch Knochen von mindestens 172 Großsäugern – darunter Hirsche, Pferde und sogar Auerochsen – in zehntausende Stücke zerlegten.

Doch sie ließen es nicht beim Zerschlagen bewenden: Mit Feuersteinwerkzeugen und ausgeklügelten Techniken erhitzten sie die Knochen in Wasser, um das wertvolle, energiereiche Fett herauszulösen – ein Prozess, der bislang erst viel späteren Menschengruppen zugetraut wurde. Die Forscher sprechen von einer prähistorischen „Fettfabrik“, die ihresgleichen sucht.

Mehr als 120.000 winzige Knochenfragmente und über 16.000 Feuersteinwerkzeuge wurden geborgen – ein archäologischer Schatz, der unser Verständnis der Neandertaler auf den Kopf stellt. „Die Neandertaler gingen äußerst planvoll vor – von der Jagd über den Transport der Kadaver bis hin zur Fettgewinnung an einem speziell dafür genutzten Ort“, erklärt der leitende Archäologe Lutz Kindler. Sie wussten genau, wie wertvoll Fett für ihr Überleben war – und wie man es effizient gewinnt.

Für die Menschen der Altsteinzeit war Fett buchstäblich lebenswichtig: Es lieferte Energie in harten Wintern und war oft rarer als Fleisch. Schon unsere afrikanischen Vorfahren knackten Knochen für das Mark – doch die Neandertaler von Neumark-Nord trieben diese Kunst auf ein neues Level.

„Die Entdeckungen von Neumark-Nord verändern unser Bild von der Anpassungsfähigkeit und den Überlebensstrategien der Neandertaler“, betont Landesarchäologe Harald Meller. „Sie betrieben bereits komplexes Ressourcenmanagement, konnten vorausplanen und ihre Umwelt geschickt nutzen.“

Die Fundstelle Neumark-Nord ist ein Hotspot der Urgeschichte: Hier wurde auch erstmals belegt, dass Neandertaler aktiv Jagd auf Waldelefanten machten – die Giganten des Eiszeitalters. ozd



OZD-Kommentar

Die Neandertaler waren viel mehr als primitive Jäger: Sie waren Planer, Tüftler und wahre Überlebenskünstler. Die Funde aus Sachsen-Anhalt zeigen, wie kreativ und anpassungsfähig unsere Vorfahren waren – und wie sehr sie uns noch überraschen können.

OZD-Analyse

Die Entdeckung der „Fettfabrik“ verschiebt die Grenzen unseres Wissens um Zehntausende Jahre zurück. Sie beweist: Komplexes Ressourcenmanagement und vorausschauendes Handeln sind keine Errungenschaften der Moderne – sondern tief in unserer Menschheitsgeschichte verwurzelt.



Erklärungen

Knochenfett: Energielieferant, der aus erhitzten Knochen gewonnen wird – besonders wichtig in Zeiten knapper Nahrung.

Feuersteinwerkzeuge: Scharfe Steingeräte, mit denen Knochen und Fleisch verarbeitet wurden.

Auerochse: Urahn unserer Hausrinder, ein mächtiges Wildrind der Eiszeit.

Lutz Kindler: Leitender Archäologe der Studie, Experte für Altsteinzeit.

Harald Meller: Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt: Verantwortlich für die Ausgrabungen in Neumark-Nord.

Leibniz-Zentrum für Archäologie: Forschungspartner der Studie.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild afp


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