Lange hatte sie nicht mehr gelacht. Sie hatte nachgedacht, wie es dazu kommen konnte. Heute lag Sie in ihrem Bett, als alte Frau hatte sie verstanden das ein Tag gut ist, wenn das Essen noch schmeckt. Nach Jahren Geduld und Verständnis, ohne Visite der Kinder und ohne Gedanken an die ferne Zukunft herrschte nun Gewissheit.
Die Patienten waren gekommen und gegangen, damals im Hospital. Das Wort war verschwunden, erst in der Straßenbahn, dann am Markt und auch beim Dienst im Hospital.
Lange hatte die alte Frau nachgedacht, nachgedacht ob ihre Gedanken überhaupt ihrem Geist oder dem ihres Vaters entsprungen waren. Die alten Märchen, die sie geliebt hatte, Frau Holle oder die Geschichte vom Brunnen, in den eine Kugel gefallen war. Sie hatte geglaubt, diese Geschichte wäre der Welt der Prinzessin entsprungen. Hämische Stimmen erklärten, aller Geist gehört der Bank.
Einem der Patienten war sie noch einmal begegnet. Danke für das Frühstück damals, hatte er gesagt. Mir wurde nie bewusst gemacht, das der Mensch gut ist und gut war bis die Räte nicht einsahen warum ihre Stadt am Dorf scheitern sollte. Der Brunnen im Schlosspark, sauber und gepflegt und die Fischteiche am Dorfrand reine Natur. Anders in den Touristenstädten am Wünschebrunnen, ganze Truhen voller Silberpfennige landen darin und wenn er einmal gesäubert werden muss, kommt der arme alte Mann und muss es einsammeln um es der Kirche zu geben.
Worte sind wie Silberpfennige, irgendwann alle im Brunnen oder in der Kirche.
Die alte Schwester hatte Jahre später eine Erkenntnis. Jeden Tag werden die Wünschebrunnen, selten aber irgendwo in der Welt gibt es einen zweiten, von Touristen besucht und fast jeden Tag, außer an den ganz stillen Tagen, wo die Welt zu ruhen scheint, aber vielleicht doch keiner der drei oder vier Touristen einen Silberpfennig in den Brunnen wirft, landet eine Münze im Brunnen und ein Wort in der Kirche.
Die Schwester hatte begriffen, das in fünfundvierzig Jahren Dienst irgendwann kein Patient mehr behandelt wurde, mit dem im Gespräch ein persönliches Problem erkannt oder behoben wurde. Nur die Fachabteilung und nie ein Problem.
Die Geschichte von der Sennerin, die wohl eine Erzählung über drei oder vier Tage und vier, fünf oder sechs Generationen bis ins Dorf schickt um zu verstehen, das die Arbeit gemacht werden und alle fünfe auch mal gerade sein dürfen. Eine Frau beweist den Generationen die Liebe, nicht nur ihrem Mann, hatte ihre Mutter erzählt. Die Geschichten der Sennerin wurden ihr nun klar. Es waren Unterscheidungen der Aufgaben ihres Hofes mit dem Erben der Arbeit, aber auch die Medizin der Frau oder des Lebens. In mehreren Tagen durfte die Weisheit Frau Holles an die Kinder weitergegeben werden. Die Arbeit macht der Mann! Auch die Bauern dürften das selbe weitergeben, die Arbeit und die Rolle des Mannes. Wenn die Höfe wirklich siebenhundert Jahre standen oder das Dorf gar achthundert, wann ging das Wort Gottes verloren? Wenn eine der Töchter oder einer der Söhne im Streit gingen. Ohne das Verständnis für die einfache Tafel oder die acht Freien Tage im Jahr. Wenn die Kinder im Streit gingen könne das Wort Gottes auch das Haus der Eltern oder Familie verlassen haben.
Wenn sie das richtig sah, war sie zu alt um von der jungen Schwester ein zusammenhängendes Gespräch über zwei oder drei Tage zu erhalten. Die junge Frau hatte ihr eigenes Leben und ihre Probleme, die der alten Frau waren Vergangenheit.
Sie dachte an den alten Heilerring. Den einen Heilerring. Schwestern, Brüder und ein Meister. Der Meister ist die Zeit, alles andere vergeht.
Andy Hagel, Autor und Star mit den Onlineportalen www.texthagel.de www.onlinegebet.de www.menschenlehre.de empfiehlt seine Novelle „Das Déjà-vu des Doktor Niemand“ sowie das Hörbuch „7 Gute Nacht Geschichten“ für Kinder.