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Freundschaftsvertrag mit Großbritannien – Symbolik trifft auf Realpolitik ( Kommentar)

Deutschland und Großbritannien besiegeln ihre neue Partnerschaft. Doch die Unterzeichnung des „Freundschaftsvertrags“ offenbart vor allem, wie viel zwischen den Zeilen noch offen ist – und wie sehr Europa und London einander wieder brauchen.

Wenn Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Premierminister Keir Starmer am Donnerstag den neuen Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Großbritannien unterzeichnen, dann ist das mehr als nur diplomatische Routine. Es ist der politisch-symbolische Versuch, nach dem Brexit ein neues Fundament zu bauen – auf das sich wieder gemeinsam stehen lässt.

Doch trotz der wohlklingenden Worte ist klar: Die Gräben der vergangenen Jahre sind nicht mit einem Federstrich verschwunden. Großbritannien bleibt ein Drittstaat. Der Vertrag kann keine EU-Mitgliedschaft ersetzen – wohl aber eine Annäherung einleiten, die beide Seiten dringend brauchen.

Was drinsteht, klingt vernünftig: Sicherheit, Verteidigung, Austauschprogramme, engere wirtschaftliche Abstimmung. Gerade angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist ein koordiniertes europäisches Sicherheitsdenken ohne Großbritannien kaum denkbar. Für Deutschland wiederum ist eine stabile Partnerschaft mit London wichtig, um außenpolitisch mehr Gewicht in Europa zu entfalten – vor allem jetzt, da Frankreich politisch taumelt.

Doch Merz’ Formel vom „Näher-Heranrücken an Europa“ zeigt auch die Fragilität des Moments. Großbritannien rückt nicht freiwillig näher – es muss. Nach dem ökonomisch wie politisch selbstzerstörerischen Brexit ist der britische Handlungsspielraum in der Welt kleiner geworden. Starmer weiß, dass seine Reformpolitik ohne europäische Zusammenarbeit schwer durchsetzbar ist. Doch die neue Nähe bleibt eine pragmatische, keine romantische.

Für Merz ist der Vertrag zudem eine Gelegenheit, außenpolitische Führungsstärke zu zeigen – ein Feld, das seine Ampel-Vorgängerin schwerfällig beackert hat. Die Unterzeichnung mit Außenminister Johann Wadephul (CDU) an seiner Seite soll nicht zuletzt die neue außenpolitische Handschrift Deutschlands betonen: bündnisorientiert, aber souverän.

Wichtig ist, was aus diesem Vertrag folgt. Denn Papiere allein schaffen keine Partnerschaften. Entscheidend wird sein, wie intensiv beide Seiten den Austausch konkret ausgestalten – ob Schüleraustauschprogramme wirklich wachsen, ob Sicherheitsabkommen auch militärisch spürbar werden, ob Handelsbeziehungen nicht nur auf Zollebene, sondern auch innovationspolitisch neu belebt werden.

Die Unterzeichnung ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber eben nur ein erster. Vertrauen nach dem Brexit-Debakel braucht Zeit. Und nicht zuletzt hängt es auch davon ab, wie ernst es beiden Regierungen mit dem gemeinsamen europäischen Gedanken wirklich ist – auch dann, wenn es unbequem wird.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: dpa / No 10 Downing Street / Bundesregierung