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Deutschland bekommt erstmals Nationalen Sicherheitsrat – Merz spricht von „wichtigem Baustein“

Deutschland bündelt seine Sicherheitspolitik: Mit dem neuen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt setzt Kanzler Merz ein lange diskutiertes Projekt um. Das Gremium soll Risiken früh erkennen und Strategien für Sicherheit „aus einem Guss“ entwickeln.

Berlin – Deutschland bündelt seine Sicherheitspolitik künftig an zentraler Stelle: Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats im Bundeskanzleramt. Damit setzt die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) ein lange diskutiertes Projekt um, das in Berlin immer wieder gescheitert war. Nun soll das neue Gremium die Beobachtung der weltweiten Sicherheitslage, die Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik und die Entwicklung langfristiger Strategien leisten.

Ein sicherheitspolitischer Meilenstein

„Dieses Gremium wird eine zentrale Plattform der Bundesregierung für übergreifende Fragen nationaler Sicherheit sein“, erklärte Kanzler Merz nach der Sitzung. Es gehe darum, die Schnittstellen zwischen innerer, äußerer, wirtschaftlicher und digitaler Sicherheit zu bearbeiten – also genau jene Felder, die in einer globalisierten, vernetzten Welt kaum noch voneinander zu trennen sind.

Damit greift die Regierung eine Debatte auf, die bereits seit Jahrzehnten geführt wurde. Schon unter früheren Kanzlern, von Helmut Kohl bis Angela Merkel, war über eine institutionalisierte Koordinierungsstelle diskutiert worden. Doch Streit um Zuständigkeiten – vor allem zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt – verhinderte bisher eine Umsetzung.

Merz hob hervor, dass seine CDU-SPD-Koalition „in nur vier Monaten“ geschafft habe, wovon frühere Regierungen nur gesprochen hätten. Der neue Sicherheitsrat sei „ein wichtiger Baustein für unseren Ansatz einer Sicherheitspolitik aus einem Guss“.

Warum jetzt?

Die Einrichtung des Rates ist Ausdruck einer veränderten Bedrohungslage. Der Russland-Ukraine-Krieg hat nicht nur die Sicherheitsarchitektur Europas erschüttert, sondern auch Deutschlands Verwundbarkeit offengelegt – militärisch, wirtschaftlich, digital. Energieversorgung, Cyberattacken, hybride Kriegsführung: Die Liste neuer Risiken ist lang.

Die Koalition aus CDU und SPD hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, diese Komplexität durch eine feste Struktur im Kanzleramt besser zu bewältigen. Während die Ampel-Koalition das Projekt noch fallen ließ, setzt die neue Regierung es nun entschlossen um.

Zusammensetzung und Arbeitsweise

Der neue Rat geht aus dem bisherigen Bundessicherheitsrat hervor, dessen ständige Mitglieder schon jetzt Kanzler, Kanzleramtschef sowie die Ressortminister für Äußeres, Inneres, Finanzen, Justiz, Wirtschaft und Entwicklung sind. Der Unterschied liegt jedoch in Auftrag und Selbstverständnis: Nicht nur Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter oder Ad-hoc-Krisensitzungen sollen behandelt werden, sondern strategische Fragen auf Jahre hinaus.

Ziel ist es, eine Art „Frühwarnsystem“ zu etablieren, das Risiken erkennt, Szenarien entwickelt und ressortübergreifend Antworten formuliert. Damit bekommt Deutschland ein Instrument, das in Ländern wie den USA oder Frankreich längst selbstverständlich ist.

Zustimmung und Skepsis

Die Opposition reagierte geteilt. Grüne und Linke äußerten Bedenken: Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger zweifelte an der „Außenpolitik aus einem Guss“, die Union und SPD versprochen hätten. Die Linke warnte vor „zu viel Machtkonzentration im Kanzleramt“ und einem Mangel an Transparenz. Auch die FDP zeigte sich zurückhaltend, verwies auf fehlendes Personal und Strukturen.

Doch jenseits parteipolitischer Skepsis ist unbestreitbar: Mit dem neuen Rat verfügt Deutschland erstmals über ein institutionalisiertes Forum, das den wachsenden sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht werden soll.

Kommentar: Ein Schritt, den es brauchte

Dass Deutschland nun einen Nationalen Sicherheitsrat bekommt, ist mehr als Symbolpolitik. Es ist ein längst überfälliger Schritt, der den Realitäten des 21. Jahrhunderts Rechnung trägt. Sicherheit ist längst nicht mehr allein Sache der Bundeswehr oder der Polizei – sie umfasst Energiefragen, Cyberabwehr, Wirtschaftsschutz und den Kampf gegen hybride Bedrohungen.

Die jahrelangen Rivalitäten zwischen Ressorts hatten Deutschland in einer Phase globaler Umbrüche handlungsunfähig erscheinen lassen. Dass es der neuen Regierung gelingt, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen, ist ein Erfolg.

Natürlich werden Transparenz und parlamentarische Kontrolle entscheidend sein, damit das Gremium Vertrauen genießt. Aber klar ist: Ohne strategische Koordination bleibt Deutschland anfällig für Krisen, die nicht an Ressortgrenzen Halt machen.

Mit dem Nationalen Sicherheitsrat hat die Bundesrepublik nun endlich die Chance, Sicherheitspolitik aus einem Guss zu entwickeln – und sich damit in einer zunehmend unsicheren Welt besser aufzustellen.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP