Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erwartet von der Ukraine eine klare und umfassende Aufklärung der Korruptionsaffäre im Energiesektor. In einem Telefonat mit Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte Merz laut Regierungssprecher Stefan Kornelius, die Ukraine müsse Korruptionsbekämpfung und rechtsstaatliche Reformen „energisch vorantreiben“. Die Affäre, bei der Ermittler dem selenskyj-nahen Geschäftsmann Timur Minditsch ein weitverzweigtes System illegaler Geldflüsse vorwerfen, hatte in Kiew zum Rücktritt zweier Minister geführt.
Selenskyj informierte den Kanzler über den Stand der Ermittlungen und versprach laut Kornelius „vollständige Transparenz“ sowie eine enge Zusammenarbeit mit den unabhängigen Antikorruptionsbehörden. Ziel sei es, das Vertrauen der ukrainischen Bevölkerung wie auch der internationalen Partner wiederherzustellen. Zudem dankte Selenskyj Deutschland für die Unterstützung bei der Luftverteidigung und dem Schutz der ukrainischen Energie-Infrastruktur, die weiterhin massiven russischen Angriffen ausgesetzt ist.
Beide Staatschefs betonten ihre gemeinsame Linie, die Bemühungen um einen Waffenstillstand und einen dauerhaften Frieden eng mit europäischen und transatlantischen Partnern abzustimmen. Deutschland werde den Druck auf Moskau weiter erhöhen, um Russland zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen.
Minditsch, Miteigentümer der von Selenskyj mitgegründeten Produktionsfirma Kwartal 95, soll laut Nabu ein Korruptionsnetzwerk aufgebaut haben, über das rund 100 Millionen Dollar geflossen sein sollen. Präsident Selenskyj verhängte inzwischen Sanktionen gegen den früheren Vertrauten, dessen Vermögen eingefroren werden soll. Minditsch hatte die Ukraine kurz vor Bekanntwerden der Vorwürfe verlassen.
Die politische Erschütterung kommt zu einem heiklen Zeitpunkt: Während russische Angriffe fortgesetzt die Energie-Infrastruktur verwüsten, erwartet die ukrainische Bevölkerung klare Reformen – und die westlichen Partner Garantien, dass Hilfsgelder nicht versickern.
OZD
OZD-Kommentar:
Die Ukraine kämpft an zwei Fronten: gegen Russland – und gegen ein
Korruptionssystem, das tief im Staatsapparat wurzelt. Dass nun enge
Vertraute des Präsidenten ins Visier geraten, ist ein politisches
Erdbeben, das Selenskyj nicht ignorieren kann. Merz nutzt den Moment
diplomatisch geschickt: Er fordert Transparenz, ohne die Ukraine
öffentlich bloßzustellen, und schickt damit ein klares Signal an
europäische Partner, die längst strengere Auflagen fordern. Doch eines
ist klar: Wenn Kiew dieses Korruptionsgeflecht nicht konsequent
zerschlägt, gefährdet es nicht nur internationale Unterstützung, sondern
auch die Glaubwürdigkeit im eigenen Land. Die Geduld der Verbündeten
ist endlich – und Selenskyj weiß das.
Mini-Infobox:
– Geflossene Summe: ca. 100 Mio. Dollar laut Antikorruptionsermittlern
– Betroffene Regierungsmitglieder: Energieministerin Grintschuk, Ex-Minister Haluschtschenko
– Zentrale Figur: Unternehmer Timur Minditsch, enger Ex-Vertrauter Selenskyjs
– Maßnahmen: Rücktritte, Sanktionen, eingefrorene Vermögen
– Ermittlungsdauer: 15 Monate Nabu-Ermittlungen
OZD-Analyse
Internationale Wirkung
a) Die Affäre belastet das Vertrauen westlicher Partner.
b) Deutschland und EU verlangen sichtbare Reformen.
c) Korruptionsbekämpfung bleibt Bedingung für EU-Beitrittsprozess.
Innenpolitische Dynamik
– Rücktritte zweier Minister verstärken innenpolitischen Druck.
– Bevölkerung reagiert sensibel: Korruption mitten im Krieg wird kaum toleriert.
– Selenskyjs Glaubwürdigkeit steht auf dem Prüfstand.
Sicherheits- und Kriegsdimension
– Angriffe auf Energie-Infrastruktur verschärfen die Lage.
– Korruptionsskandale schwächen staatliche Strukturen im Krieg.
– Partnerstaaten fürchten Missbrauch von Hilfsgeldern.
Wer ist Friedrich Merz?
Friedrich Merz ist seit 2025 Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender. Er gilt
als transatlantisch orientierter Konservativer, der auf strikte
Haushaltsdisziplin und klare Bedingungen bei internationaler
Unterstützung setzt.
Wer ist Timur Minditsch?
Timur Minditsch ist ein Unternehmer und ehemaliger enger Vertrauter
Selenskyjs. Er steht im Fokus umfangreicher Korruptionsermittlungen. Ihm
wird vorgeworfen, Geldströme im ukrainischen Energiesektor kontrolliert
und ein Netzwerk illegaler Transaktionen aufgebaut zu haben.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Interessanter Fakt:
Korruption im Energiesektor gilt seit Jahren als einer der sensibelsten
Bereiche der ukrainischen Innenpolitik – nicht zuletzt, weil Energie zu
den am stärksten von Russlands Krieg betroffenen Infrastrukturen gehört.