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Showdown um weltweites Abkommen

In Genf kämpfen 184 Staaten am letzten Verhandlungstag um ein globales UN-Plastikabkommen. Der Ausgang ist ungewiss – die Fronten zwischen Ölproduzenten und Umweltallianz sind verhärtet.

Nach mehr als einer Woche festgefahrener Gespräche ist am Donnerstag in Genf der offiziell letzte Verhandlungstag für ein globales UN-Plastikabkommen angebrochen. 184 Staaten und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen versuchen, ein Scheitern in letzter Minute zu verhindern. Die Lager sind tief gespalten: Auf der einen Seite stehen erdölproduzierende Staaten und Verbündete, auf der anderen Seite eine Allianz aus EU-Ländern, Staaten Lateinamerikas und Umweltschützern.

Am Mittwoch war der jüngste Entwurf von Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso krachend gescheitert. EU, Panama, Chile und Mexiko lehnten ihn als „inakzeptabel“ ab, weil er keine verbindlichen Auflagen enthielt. Ölproduzenten warfen dem Text hingegen vor, zentrale rote Linien zu überschreiten.

Für den entscheidenden Tag reisten zahlreiche Minister an. Frankreichs Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher zeigte sich optimistisch, einen kompakten, aber substanziellen Vertragstext erstellen zu können. Umweltorganisationen wie WWF und Greenpeace warnten vor den Folgen eines Scheiterns oder eines verwässerten Kompromisses: Die Plastikverschmutzung bedrohe Ökosysteme, Tierwelt und Gesundheit weltweit.

Die Dringlichkeit ist hoch: Jährlich entstehen über 400 Millionen Tonnen Plastik, die Hälfte davon für Einwegprodukte. Weniger als zehn Prozent werden recycelt. Wissenschaftler warnen, dass sich die weltweite Plastikproduktion bis 2060 verdreifachen könnte – mit unabsehbaren Folgen für Mensch und Natur.

Die Gespräche in Genf folgen auf die bereits gescheiterte Verhandlungsrunde im südkoreanischen Busan im Dezember 2024. Eigentlich sollte dort schon der Durchbruch erzielt werden. Nun liegt es an den Diplomaten, die globale Plastikflut politisch einzudämmen – oder erneut an den Differenzen zu scheitern.

OZD


OZD-Kommentar:
Die Lage ist ein Paradebeispiel dafür, wie Eigeninteressen globale Notwendigkeiten blockieren. Ölproduzenten verteidigen ihre Märkte, während Inselstaaten und Umweltschützer um das nackte Überleben ihrer Lebensgrundlagen kämpfen. Wer hier auf Zeit spielt, riskiert, dass die Plastikflut in wenigen Jahrzehnten unkontrollierbar wird. Die Weltgemeinschaft hatte die Chance, mit klaren Zielen und verbindlichen Vorgaben Geschichte zu schreiben. Stattdessen droht sie, an kleinteiligen Formulierungen zu zerbrechen. Am Ende wird die Erde keinen Unterschied machen zwischen einem Scheitern und einem weichgespülten Minimalkompromiss – beides ist ein Verrat an zukünftigen Generationen.


OZD-Analyse:

Konfliktlinien in den Verhandlungen
a) Ölproduzenten gegen Umweltallianz.
b) Streit um verbindliche Reduktionsziele.
c) Politische und wirtschaftliche Eigeninteressen als Blockade.

Inhaltliche Streitpunkte
a) Verbindliche Auflagen zur Plastikreduktion.
b) Umgang mit Einwegplastik.
c) Finanzierungsfragen und Unterstützung für Entwicklungsländer.

Globale Dringlichkeit
a) 400 Millionen Tonnen Plastik jährlich, Hälfte Einwegprodukte.
b) Recyclingquote unter zehn Prozent.
c) Prognose: Verdreifachung der Produktion bis 2060.

Politische Dimension
a) Scheitern in Busan als Vorwarnung.
b) Genf als letzte Chance für historischen Durchbruch.
c) Gefahr: Verwässerung durch Kompromisse ohne Substanz.


Was ist das UN-Plastikabkommen?
Das UN-Plastikabkommen ist eine geplante internationale Vereinbarung, die die Produktion, Nutzung und Entsorgung von Plastik weltweit regulieren soll. Ziel ist es, die massive Umweltverschmutzung durch Plastik einzudämmen, Recyclingquoten zu erhöhen und Einwegprodukte zu reduzieren. Die Verhandlungen laufen seit 2022 unter dem Dach der Vereinten Nationen und sollten ursprünglich 2024 abgeschlossen werden. Beteiligt sind 184 Staaten sowie Vertreter von Umweltorganisationen und Industrieverbänden.


Die Verhandlungen zum globalen Plastikabkommen zeigen eine klare Spaltung zwischen verschiedenen Ländergruppen. Hier ist eine Übersicht über die wichtigsten Positionen:


Länder, die für ein strenges, verbindliches Abkommen sind:

Europäische Union (EU):

Setzt sich für klare Reduktionsziele bei der Plastikproduktion ein.

Will gefährliche Chemikalien in Kunststoffen verbieten.

Unterstützt ein globales Berichtssystem und Transparenzregeln.


Chile, Peru, Kolumbien, Mexiko:

Fordern ambitionierte Maßnahmen, insbesondere gegen Einwegplastik.

Betonen die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit in ihren Regionen.


Afrikanische Staaten (z. B. Ruanda, Kenia):

Viele Länder haben bereits nationale Plastikverbote.

Wünschen sich internationale Unterstützung für Recycling und Abfallmanagement.


Pazifikstaaten (z. B. Fidschi, Samoa):

Besonders betroffen von Plastikmüll im Meer.

Drängen auf ein starkes Abkommen zum Schutz ihrer Ökosysteme.


Norwegen, Schweiz, Kanada:

Unterstützen wissenschaftsbasierte Grenzwerte und globale Standards.

Länder, die gegen strenge Vorgaben oder verbindliche Regeln sind:


USA:

Lehnt verbindliche Produktionsgrenzen ab.

Bevorzugt freiwillige Maßnahmen und nationale Eigenverantwortung.

Starke Lobbyinteressen aus der Kunststoff- und Erdölindustrie.


Saudi-Arabien, Iran, Russland:

Wollen keine Einschränkungen bei der Plastikherstellung.

Sehen das Abkommen als Bedrohung für ihre petrochemische Industrie.


China:

Zeigt gemischte Signale: Unterstützt Recycling-Initiativen, lehnt aber globale Produktionsgrenzen ab.

Möchte mehr Flexibilität für Entwicklungsländer.


Indien:

Betont das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung.

Kritisiert mögliche Belastungen für kleine Produzenten und informelle Recyclingwirtschaft.

Hintergrund der Spaltung:


Wirtschaftliche Interessen: Länder mit starker Erdöl- und Kunststoffindustrie fürchten wirtschaftliche Einbußen.

Umwelt- und Gesundheitsbedenken: Länder mit hoher Umweltbelastung oder aktiver Zivilgesellschaft drängen auf Schutzmaßnahmen.

Nord-Süd-Konflikt: Viele Entwicklungsländer fordern finanzielle und technische Unterstützung, um die Anforderungen des Abkommens umsetzen zu können.



Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.