Die Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) zum Tiefseebergbau sind wieder einmal im Sand verlaufen. Nach zwei Wochen intensiver Debatten konnten sich die 36 Mitgliedstaaten des Exekutivrats nicht auf ein verbindliches Regelwerk einigen. Und das, obwohl ein Entwurf mit 107 Vorschriften längst vorliegt.
Statt Fortschritt gibt es ein gefährliches Vakuum. Die Bergbauindustrie drängt mit Macht auf den Start der Ausbeutung: Kupfer, Kobalt und Seltene Erden – Rohstoffe, die für die Energiewende und Hochtechnologie gebraucht werden – liegen tief unten am Ozeanboden, in Form sogenannter Manganknollen. Doch wissenschaftliche Studien warnen: Der Eingriff in die Tiefsee-Ökosysteme könnte unumkehrbare Schäden anrichten. Lebensräume, die seit Millionen Jahren existieren, drohen für immer zerstört zu werden, bevor sie überhaupt vollständig erforscht sind.
Dass 37 Staaten – darunter Chile und Deutschland – ein Moratorium fordern, ist angesichts der Risiken nur folgerichtig. Trotzdem stemmen sich einige Delegationen gegen eine Verlangsamung des Prozesses – offenbar getrieben vom Einfluss mächtiger Industrieinteressen. Währenddessen schert sich die USA wie gewohnt nicht um internationale Regeln: Schon unter Trump wurde die Zuständigkeit der ISA ignoriert, ein Bergbaugesetz aus den 1980ern reaktiviert – und Unternehmen wie The Metals Company (TMC) wittern nun freie Bahn.
Das Vorgehen der USA ist ein direkter Angriff auf das Prinzip, dass der Meeresboden das „gemeinsame Erbe der Menschheit“ ist – so steht es im UN-Seerechtsübereinkommen. Doch Washington hat es nie ratifiziert. Statt fairer Teilhabe und ökologischer Verantwortung wird hier auf maximale Ausbeutung gesetzt. Der globale Süden, von den Folgen besonders betroffen, wird einmal mehr übergangen.
Die Untätigkeit der ISA ist fatal. Ohne verbindliche Regeln entsteht ein rechtsfreier Raum in der Tiefsee – zur Freude multinationaler Konzerne, zum Schaden für Mensch und Umwelt. Wenn sich dieser Kurs fortsetzt, wird der Tiefseebergbau nicht nur das nächste große Umweltdesaster – sondern auch ein Offenbarungseid für die internationale Kooperation im 21. Jahrhundert.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP