Der Ruf nach einer vorsorglichen Pause im Tiefsee-Bergbau ist längst überfällig – und er kommt im letzten Moment. 33 Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und viele pazifische Inselstaaten, warnen auf der UN-Ozeankonferenz in Nizza eindringlich vor einem ökologischen Blindflug mit irreversiblen Folgen: Noch kaum erforschte Ökosysteme würden zerstört, CO₂-Speicher vernichtet, giftige Metalle in die Nahrungskette gespült.
Die Warnung richtet sich auch direkt an die USA. Präsident Donald Trump hatte erst im April ein Dekret unterzeichnet, um das Schürfen nach Nickel, Kobalt und anderen Mineralien auch in internationalen Gewässern zu ermöglichen – ein klarer Bruch mit dem Prinzip, dass die Tiefsee ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“ ist.
Während Frankreich für ein vollständiges Verbot plädiert, bleibt Deutschland vorsichtig und fordert lediglich eine „vorsorgliche Pause“. Doch dieser Kompromiss reicht nicht aus. Der Bergbau in der Tiefsee ist nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern vor allem ein ethisches Dilemma: Dürfen wir ein Ökosystem zerstören, das wir noch nicht einmal kennen?
Bergbaukonzerne wittern Milliardengewinne durch Manganknollen – doch bislang gibt es keine globalen Regeln, keine Umweltstandards, keinen Mining Code. Die Debatte ist dringlicher denn je. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird aus einem rechtlosen Raum ein rechtsfreier Ausverkauf.
Erklärung:
Tiefseebergbau bezeichnet die Gewinnung von Rohstoffen wie Nickel, Kupfer oder Seltene Erden aus dem Meeresboden in mehreren Tausend Metern Tiefe. Er birgt große Umweltrisiken, da Sedimente aufgewirbelt werden, Lebensräume zerstört und toxische Substanzen freigesetzt werden können. Der „Mining Code“ ist ein geplantes Regelwerk der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), das Umweltstandards und Verfahren für den Abbau regeln soll – bislang ist es nicht in Kraft.
Wofür werden die Rohstoffe aus der Tiefsee benötigt?
Die im Meeresboden vorkommenden Rohstoffe wie Nickel, Kobalt, Kupfer, Seltene Erden und Mangan sind zentral für moderne Technologien – doch ihre Gewinnung birgt schwerwiegende ökologische Risiken.
Nickel wird für die Herstellung von Batterien in Elektroautos und in der Edelstahlproduktion benötigt. Es verbessert die Korrosionsbeständigkeit und Lebensdauer von Materialien.
Kobalt ist ein Schlüsselrohstoff für Lithium-Ionen-Akkus, die in Smartphones, Laptops und Elektroautos verbaut werden. Auch in der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie spielt es eine Rolle.
Kupfer ist wegen seiner hervorragenden Leitfähigkeit unverzichtbar für elektrische Leitungen, Motoren und Windkraftanlagen. Es ist ein Grundpfeiler der Energiewende.
Seltene Erden (z. B. Neodym, Dysprosium) werden in Permanentmagneten für Windturbinen, E-Autos und hochspezialisierte Elektronik eingesetzt.
Mangan ist wichtig für die Stahlveredelung und wird zunehmend als kostengünstigerer Ersatz für Kobalt in Batterien der nächsten Generation erforscht.
All diese Rohstoffe sind damit Teil des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft – paradox, dass ihr Abbau gleichzeitig tiefgreifende Umweltschäden verursachen könnte. Die Herausforderung besteht darin, den Ressourcenbedarf mit dem Schutz der letzten weitgehend unberührten Ökosysteme des Planeten zu vereinbaren.
Ein blinder Abbau in der Tiefsee würde kurzfristigen Industrieinteressen folgen – mit potenziell katastrophalen Folgen für Biodiversität, Klimaschutz und globale Gerechtigkeit. Ein robuster „Mining Code“ mit ökologischen Leitplanken ist daher nicht optional, sondern überlebenswichtig.
OZD
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Bild: AFP