Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat Deutschland auf einen umfassenden Reformkurs eingeschworen. „Wer glaubt, wir könnten einfach so weitermachen wie bisher, der irrt sich“, sagte Klingbeil am Dienstag im Bundestag bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 2026. „Es muss Veränderungen geben, und das dürfen keine kleinen Trippelschritte sein.“
Klingbeil sprach von einem „großen Wurf“, den die Regierung in den kommenden Monaten vorbereiten müsse. Entscheidungen, die „anstrengend und herausfordernd“ seien, stünden bevor. „Die Menschen spüren längst, dass Durchmogeln oder Zögern nicht mehr funktionieren“, so der Minister.
Der Haushaltsentwurf sieht für 2026 Investitionen von 126,7 Milliarden Euro vor – ein Rekordwert. Die Nettokreditaufnahme im Kernhaushalt steigt auf 89,9 Milliarden Euro, rund acht Milliarden mehr als 2025. Einschließlich Sonderhaushalten für Infrastruktur und Verteidigung summiert sich die Kreditaufnahme auf über 174 Milliarden Euro. „Wir investieren massiv in die Zukunft des Landes“, sagte Klingbeil.
Trotz der hohen Summen betonte er die Notwendigkeit von Reformen. Beschäftigung müsse ins Zentrum rücken, Sozialausgaben sinken und staatliche Einnahmen wachsen. „Das Geld, das wir alle gebraucht haben – in Pandemie, Energiekrise, Ukraine-Krieg – müssen wir irgendwann zurückzahlen. Dieses Irgendwann fängt jetzt an.“ Schon für 2027 klaffe eine Lücke von über 30 Milliarden Euro. „Es hat noch nie eine Regierung gegeben, die 30 Milliarden einsparen musste.“
Die Opposition äußerte scharfe Kritik. Unionshaushälter Mathias Middelberg (CDU) warnte, „mehr als jeder vierte Euro“ sei kreditfinanziert. AfD-Politiker Michael Espendiller sprach von einer „nicht endenden Schuldenspirale“. Linken-Haushaltsexperte Dietmar Bartsch monierte falsche Prioritäten: „Nur eines wächst schneller als die Rüstungsausgaben – die Schulden.“ Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer warf der Regierung „Bullshit und Konzeptlosigkeit“ vor.
Der Haushaltsentwurf umfasst Gesamtausgaben im Kernhaushalt von 520,5 Milliarden Euro. Bis Freitag wird im Bundestag debattiert, anschließend wandert die Vorlage in den Haushaltsausschuss, wo traditionell Änderungen erfolgen. Die endgültige Verabschiedung soll vor Weihnachten erfolgen.
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OZD-Kommentar
Klingbeils Haushaltsrede zeigt: Deutschland steht vor einem doppelten Spagat – investieren und sparen zugleich. Der Finanzminister setzt auf Rekordschulden, um Reformen und Infrastruktur zu finanzieren, während er zugleich warnt, dass die Rückzahlung längst begonnen hat. Die Opposition hat recht: Der Spielraum ist eng, das Risiko einer Schuldenspirale real. Doch ohne Investitionen droht Stillstand. Prognose: Entscheidend wird, ob Klingbeil den versprochenen „großen Wurf“ bei Reformen tatsächlich liefert – oder ob alles in Symbolpolitik verpufft.
Lesermeinungen
„Endlich mal ein Finanzminister, der Klartext redet: Wir müssen jetzt anpacken.“ – Julia Mertens
„Rekordschulden, Rekordinvestitionen – und am Ende zahlen unsere Kinder die Rechnung.“ – Thomas Bremer
„Die Union sollte sich zurückhalten: Auch ihre Regierungen haben kräftig auf Pump gelebt.“ – Anne Schütz
OZD-Analyse
Die Dimension des Haushalts 2026
a) 126,7 Milliarden Euro Investitionen – Rekordwert.
b) Nettokreditaufnahme von 89,9 Milliarden im Kernhaushalt.
c) Gesamtschulden mit Sonderhaushalten: über 174 Milliarden Euro.
Reformdruck und Zukunftsaufgaben
a) Lücke von über 30 Milliarden Euro ab 2027.
b) Fokus auf Beschäftigung, Wachstum und sinkende Sozialausgaben.
c) Rückzahlung der Krisenschulden wird akut.
Politische Fronten
a) SPD und Regierung setzen auf Investitionen trotz hoher Schulden.
b) CDU und FDP warnen vor langfristiger Überschuldung.
c) Linke und Grüne kritisieren Prioritäten und Konzeptlosigkeit.
Prognose: Der Haushalt 2026 wird noch heftig umkämpft. Reformen sind zwingend – doch ob die Koalition den Mut für tiefgreifende Veränderungen aufbringt, bleibt offen.
OZD-Erklärung
Was bedeutet Nettokreditaufnahme?
Die Nettokreditaufnahme beschreibt die Summe neuer Schulden, die der Bund innerhalb eines Haushaltsjahres aufnimmt. Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – abzüglich Tilgungen alter Kredite. Je höher die Nettokreditaufnahme, desto stärker steigt der Gesamtschuldenstand des Staates.
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