Wenn die Nächte länger werden und der Wind das Laub durch die Gärten treibt, beginnt für den Igel eine Zeit des Umbruchs. Der Herbst ist für das kleine Säugetier keine gemütliche Jahreszeit – sondern ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn bevor der Frost kommt, muss der Igel fressen, bauen und verschwinden. Was für uns nach goldener Idylle aussieht, ist für ihn ein Überlebensprogramm auf höchstem Niveau.
Mit erstaunlicher Zielstrebigkeit durchstreift der Igel im Herbst sein Revier. Er schnüffelt unter Hecken, durchwühlt Laubhaufen und durchquert nächtliche Gärten auf der Suche nach energiereicher Nahrung. Schnecken, Käfer, Würmer – alles, was Kalorien bringt, wird verspeist. Denn nur mit einem Mindestgewicht von etwa 600 Gramm hat er eine Chance, den Winter zu überstehen. Für Jungtiere, die erst im Spätsommer geboren wurden, ist das eine Herausforderung. Sie haben nur wenige Wochen, um sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. ozd
Das geheime Leben im Laubhaufen
Während wir den Herbst mit Tee und Kerzenschein genießen, baut der Igel sein Winterquartier. Er sucht sich einen geschützten Ort – unter einem Holzstapel, in einem Komposthaufen oder zwischen dichten Sträuchern – und polstert ihn mit Laub, Moos und Gras aus. Dieses Nest, der sogenannte Kobel, wird sein Rückzugsort für die kommenden Monate. Sobald die Temperaturen dauerhaft unter fünf Grad sinken, fällt der Igel in einen tiefen Winterschlaf. Sein Herzschlag verlangsamt sich, die Körpertemperatur sinkt auf fast Umgebungstemperatur, und der Stoffwechsel wird auf Sparflamme gesetzt.
Unsichtbare Gefahren
Doch der Herbst birgt auch Risiken. Mähroboter, Laubsauger und giftige Gartenmittel machen dem Igel das Leben schwer. Immer mehr Tiere werden verletzt oder vergiftet – oft unbemerkt. Neue Studien zeigen, dass Igel Umweltgifte in ihren Organen anreichern und so zu stillen Zeugen unserer Umweltprobleme werden. Gleichzeitig verlieren sie durch die zunehmende Versiegelung von Flächen ihre natürlichen Lebensräume. Was bleibt, sind Gärten – und die Hoffnung auf menschliche Rücksicht.
Der Igel als Botschafter der Natur
Vielleicht ist es gerade seine Unauffälligkeit, die den Igel so besonders macht. Er ist kein lauter Mahner, kein imposanter Wildtier-Star. Aber wer ihm begegnet, spürt sofort: Hier lebt ein Wesen, das mit der Natur verbunden ist wie kaum ein anderes. Sein Verhalten im Herbst ist ein Spiegel für das fragile Gleichgewicht zwischen Wildtier und Zivilisation. Und ein stiller Appell, genauer hinzusehen.
Igel als Umweltindikatoren
Neuere Untersuchungen zeigen, dass Igel Schadstoffe aus ihrer Umgebung in hohem Maße aufnehmen. In einer Studie wurden in den Lebern von Igeln über 40 verschiedene Umweltgifte nachgewiesen – darunter Pestizide, Schwermetalle und industrielle Rückstände. Diese Belastung macht sie zu wertvollen Bioindikatoren: Ihr Gesundheitszustand spiegelt die Qualität ihrer Lebensräume wider und kann Hinweise auf Umweltprobleme geben, die auch für andere Tiere und den Menschen relevant sind.

Verletzungsrisiken durch Technik
Ein weiteres Forschungsthema betrifft die zunehmende Zahl von Verletzungen durch Mähroboter. Igel sind nachtaktiv und rollen sich bei Gefahr zusammen – eine Strategie, die gegen rotierende Klingen wirkungslos ist. Studien dokumentieren eine hohe Zahl schwerer Schnittverletzungen, insbesondere bei Jungtieren. Fachleute fordern technische Verbesserungen und mehr Aufklärung, etwa durch zeitlich eingeschränkten Einsatz oder igelfreundliche Gartengestaltung.
Urbanisierung und Lebensraumverlust
Die Ausbreitung von Städten und die Versiegelung von Flächen führen dazu, dass Igel immer häufiger in Gärten und Parks leben. Zwar finden sie dort Nahrung und Unterschlupf, doch die Fragmentierung ihrer Lebensräume erschwert die Fortpflanzung und den genetischen Austausch. Wissenschaftler empfehlen daher die Schaffung von „grünen Korridoren“ – also durchgehenden, naturnahen Flächen, die eine sichere Wanderung ermöglichen.
Bürgerwissenschaft und Schutzprojekte
In mehreren Ländern wurden neue Citizen-Science-Projekte gestartet, bei denen Bürger Daten über Igel sammeln – etwa zu Sichtungen, Gesundheitszustand oder Todesursachen. Diese Informationen helfen Forschern, regionale Unterschiede zu erkennen und gezielte Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Gleichzeitig fördern sie das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Tiere und stärken das Engagement im Artenschutz.
Mini-Infobox:
Winterschlaf: November bis März/April
Überlebensgewicht: mindestens 500–600 Gramm
Nahrung: Insekten, Würmer, Schnecken, Früchte
Lebensraum: Gärten, Parks, Waldränder
Tipp: Laub liegen lassen, Igelhäuser aufstellen
OZD-Analyse:
Vorbereitung auf den Winter
– a) Intensive Nahrungssuche ab September.
– b) Aufbau einer schützenden Fettschicht.
– c) Bau eines isolierten Winterquartiers.
Gefahren und Herausforderungen
– a) Mangel an natürlichen Unterschlüpfen in Städten.
– b) Einsatz von Laubbläsern und Chemikalien.
– c) Verkehr und zunehmende Bodenversiegelung.
Hilfe durch den Menschen
– a) Igelhäuser und ungestörte Laubhaufen.
– b) Keine Insektizide im Garten.
– c) Zufüttern nur im Notfall und nach Beratung.
Was ist der Winterschlaf?
Beim Winterschlaf senken Tiere ihre Körpertemperatur und ihren
Energieverbrauch, um lange Kälteperioden zu überstehen. Beim Igel sinkt
die Körpertemperatur von rund 36 auf nur noch 5 Grad Celsius, der
Herzschlag verlangsamt sich auf wenige Schläge pro Minute.
Was frisst ein Igel im Herbst?
Igel sind Insektenfresser. Auf ihrem Speiseplan stehen Käfer, Regenwürmer, Raupen, Schnecken und Spinnen. Im Herbst fressen sie zusätzlich Früchte, um Fettreserven aufzubauen – eine lebenswichtige Energiequelle für den Winter.
OZD-Extras:
Fun-Fact: Igel schlafen im Jahr bis zu fünf Monate – und verbrauchen dabei rund ein Drittel ihres Körpergewichts an Fettreserven.**
Alle Angaben ohne Gewähr. Bilder OZD