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Kirchen dürfen als Arbeitgeber Glaubenszugehörigkeit verlangen

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber Bewerber nach ihrer Religionszugehörigkeit auswählen dürfen – und stärkt damit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gegenüber dem Arbeitsrecht.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte kirchlicher Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung gestärkt. Sie dürfen künftig selbst entscheiden, ob sie von Bewerberinnen und Bewerbern eine Mitgliedschaft in ihrer Kirche verlangen – und genießen dabei einen weiten Ermessensspielraum. Das entschieden die Karlsruher Richter in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (Az. 2 BvR 934/19).

Das höchste deutsche Gericht stellte klar, dass das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ein hohes Gut ist und durch das Grundgesetz geschützt wird. Dieses umfasse auch das Recht, die eigene Glaubwürdigkeit und das kirchliche Ethos nach außen selbst zu definieren.

Im konkreten Fall hatte ein kirchlicher Verein Verfassungsbeschwerde eingelegt, nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) einer konfessionslosen Bewerberin 3915 Euro Entschädigung zugesprochen hatte. Sie war nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, weil sie keiner Kirche angehörte. Das BAG hatte dies als Diskriminierung aufgrund der Religion gewertet.

Das Verfassungsgericht sah das anders: Das Arbeitsgericht habe die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Kirche nicht ausreichend berücksichtigt. Die Karlsruher Richter kritisierten, das BAG habe „ein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos an die Stelle des Verständnisses des Beschwerdeführers gestellt“.

Damit stärkt Karlsruhe die kirchliche Autonomie gegenüber allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätzen. Für Bewerberinnen und Bewerber kann dies bedeuten, dass sie künftig bei kirchlichen Trägern wieder stärker nach ihrer Religionszugehörigkeit beurteilt werden dürfen – etwa bei Einrichtungen der Caritas oder der Diakonie.

OZD-Kommentar:
Das Urteil aus Karlsruhe ist ein Rückschritt für die Gleichbehandlung – und ein Sieg für kirchliche Sonderrechte. Es mag juristisch begründet sein, doch gesellschaftlich wirkt es aus der Zeit gefallen. In einem Land, in dem Millionen Menschen konfessionslos sind, stärkt das Bundesverfassungsgericht ausgerechnet jene Institutionen, die vom Staat finanziert, aber nicht denselben Regeln unterworfen sind. Wer öffentliche Gelder erhält, sollte auch öffentliche Werte vertreten – nicht religiöse Exklusivität. Karlsruhe hat mit diesem Urteil ein fragwürdiges Signal gesendet: dass Glaubenszugehörigkeit im Berufsleben wieder wichtiger wird als Qualifikation.




Mini-Infobox:

Urteil: Bundesverfassungsgericht, Beschluss 2 BvR 934/19

Kernpunkt: Kirchen dürfen Mitgliedschaft als Einstellungskriterium verlangen

Bisheriges Urteil: Bundesarbeitsgericht sprach 3915 € Entschädigung zu

Grundlage: Religiöses Selbstbestimmungsrecht nach Grundgesetz

Betroffene Einrichtungen: Caritas, Diakonie, kirchliche Vereine


OZD-Analyse:

Juristische Dimension
– a) Karlsruhe stärkt Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 WRV.
– b) Kirchen dürfen Glaubensanforderungen selbst definieren.
– c) Arbeitsgerichte müssen künftig stärker das Selbstverständnis kirchlicher Träger berücksichtigen.

Gesellschaftliche Folgen
– a) Potenziell mehr Diskriminierungsfälle gegen Konfessionslose.
– b) Gefahr einer Spaltung zwischen kirchlichen und säkularen Arbeitgebern.
– c) Mögliche politische Debatte über die Kirchenprivilegien.

Politische Reaktionen und Perspektiven
– a) Liberale und linke Parteien dürften Reformen fordern.
– b) Kirchen begrüßen Entscheidung als „Schutz ihrer Identität“.
– c) Thema könnte im Bundestag und in der EU-Grundrechte-Debatte an Gewicht gewinnen.



Was ist das Bundesverfassungsgericht?
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist das höchste deutsche Gericht. Es wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes und kann Urteile anderer Gerichte aufheben, wenn diese Grundrechte verletzen. Seine Entscheidungen sind bindend für alle staatlichen Institutionen.

OZD-Extras:
Fun-Fact: Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland betrifft rund 1,8 Millionen Beschäftigte – damit sind die Kirchen nach dem Staat die größten Arbeitgeber des Landes.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.