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Nagelsmanns „American Dream“ und „Wir können jeden schlagen“

Nach dem 6:0 gegen die Slowakei spricht niemand offen vom WM-Titel – und doch schwingt er in jedem Satz mit. Julian Nagelsmann und seine Spieler zeigen Selbstbewusstsein, warnen zugleich, aber senden ein klares Signal: Deutschland ist zurück.

Julian Nagelsmann hätte nach dem 6:0 im Qualifikations-Finale gegen die Slowakei nur einen Satz sagen müssen – und das Land wäre im WM-Fieber explodiert. Doch der Bundestrainer hielt inne, biss sich auf die Lippe und hob die Hände abwehrend. „Ich sage jetzt nicht, was ich denke, das ist vielleicht besser“, meinte er. Doch wer zuhören konnte, hörte hinter seinen Worten einen Funken, der sich kaum noch verbergen ließ: Deutschlands Blick geht nach vorne, und dieser Blick endet nicht in der Gruppenphase, sondern beim fünften Stern.

Seine Spieler wirkten weniger gehemmt. Nico Schlotterbeck sprach das aus, was viele dachten: „Wenn wir so spielen, ist es egal, ob der 46. der Weltrangliste kommt oder der Erste. Dann können wir jeden schlagen. Ich will zur WM fahren, um das Ding zu gewinnen.“ Drei Tage nach der beinahe peinlichen Zitterpartie in Luxemburg wirkte dieser Satz wie ein Befreiungsschrei, der die Mannschaft selbst überrascht zu haben schien.

Nagelsmann mahnte jedoch zur Realitätstreue. „Wir können nicht immer von Schwarz auf Weiß kippen in 90 Minuten“, erklärte er. Zu groß sei die Spanne zwischen Genie und Unruhe, zu früh jede Erwartung, die aus einem perfekten Abend eine Titelgarantie machen will. Doch er weiß, wie sehr seine Mannschaft wächst, seit die jungen Kräfte im Kader zeigen, dass sie keine Altlasten in sich tragen. Joshua Kimmich sprach es offen an: „Wir werden durch die Spieler, die zurückkommen, und durch die jungen Spieler, die noch dazukommen, noch stärker.“

Er nannte U21-Hoffnungen wie Lennart Karl und Tom Bischof, lobte Ouédraogo, Brown und Nmecha. Es sei ein Kader, der aus Erfahrung und Leichtigkeit etwas Neues formen könne. „Viele Jungs haben Bock und Hunger.“ Ein Satz, der dem neuen Gesicht der Nationalmannschaft erstaunliche Tiefe verleiht. Auch Rudi Völler sah in diesem Abend mehr als ein gelungenes Spiel. Der Sportdirektor erinnerte daran, dass gerade die klassischen deutschen Tugenden – Härte, Wille, Zweikampfstärke – endlich wieder sichtbar gewesen seien.

Nagelsmann plant den nächsten Schritt bereits. Die Testspiele im März, Mai und Juni sollen den Teamgeist schärfen, bevor es im Sommer ernst wird. Der Geist sei „gut“, sagte der Bundestrainer. Und vielleicht braucht es nur noch ein paar überzeugende Spiele, bis er das endlich ausspricht, was er eigentlich jetzt schon meint: Deutschland will 2026 mehr als nur mitspielen.

OZD

OZD-Kommentar

Nagelsmann sagt nicht, was er denkt – und sagt damit alles. Dieses 6:0 war ein Signal: Deutschland ist im Begriff, eine Mannschaft zu werden, die wieder gefährlich wirkt. Doch die Euphorie birgt Risiken. Die DFB-Elf hat bewiesen, dass sie glänzen kann, aber auch, dass sie binnen Tagen ins Straucheln geraten kann. Wer jetzt vom Titel spricht, spielt mit dem Feuer – wer gar nicht davon spricht, betrügt sich selbst.
Der Bundestrainer versucht, beide Pole zu jonglieren. Vorsicht nach außen, Ambition nach innen. Eine gefährliche, aber vielleicht kluge Taktik. Denn die jungen Spieler, die jetzt nachrücken, kennen die Schatten der WM-Pleiten nicht. Sie haben nur Vorwärtsdrang, kein Gepäck. Doch genau diese Unbekümmertheit muss geschützt werden.
Der Weg nach Amerika wird lang, hart und unbarmherzig. Aber wer an diesem Abend in Leipzig genau hinhörte, wusste: Der Traum ist da. Und er wächst. Die Frage ist nur, ob Deutschland bereit ist, ihn zu tragen – und was passiert, wenn die ersten Rückschläge kommen.

Mini-Infobox

Mini-Infobox
– 6:0 gegen die Slowakei: größter Quali-Sieg seit 2017
– Schlotterbeck: „Dann können wir jeden schlagen“
– Kimmich: Rückkehrer und Youngsters sollen Team verstärken
– Nagelsmann: Titelträume? „Ich sage nicht, was ich denke“
– WM-Testspiele 2025: Schweiz, Elfenbeinküste, Finnland, USA

OZD-Analyse

Deutschlands Selbstbild wandelt sich
– Die Mannschaft spürt erstmals seit Jahren kollektive Stärke –
– Rückkehrer wie ter Stegen, Rüdiger oder Havertz erhöhen die Tiefe –
– Youngster bringen Dynamik, Hunger und Frische –
– Das Team gewinnt Vertrauen in die eigene Struktur.

Nagelsmanns Takt zwischen Euphorie und Bremse
– Der Bundestrainer vermeidet klare Titelansagen –
– gleichzeitig sendet er intern ambitionierte Signale –
– dadurch entsteht ein produktiver Leistungsdruck –
– entscheidend wird, wie konstant die Mannschaft dieses Niveau halten kann.

Strategischer Blick auf die XXL-WM
– Die Kaderbreite soll bis 2026 weiter wachsen –
– Testspiele werden gezielt genutzt, um Automatismen zu festigen –
– DFB will spielerisch und mental „Turnierhärte“ entwickeln –
– Ziel: eine Mannschaft, die Spiele gewinnt, weil sie sie kontrolliert – nicht, weil sie überlebt.

Erklärungen

Wer ist Lennart Karl?
Lennart Karl ist ein hochgelobter U21-Verteidiger, der in Deutschland als künftiger Abwehrstabilisator gilt. Athletisch stark, spielintelligent und mit sauberem Aufbaupass ausgestattet, gehört er zu den größten Talenten seines Jahrgangs.

Wer ist Tom Bischof?
Tom Bischof ist ein kreativer Mittelfeldspieler der TSG Hoffenheim. Er gilt als deutscher Spielmacher der nächsten Generation, technisch stark, mutig im Dribbling und mit einem herausragenden Gefühl für Räume.

Was ist eine XXL-WM?
Als XXL-WM wird die Weltmeisterschaft 2026 bezeichnet, die erstmals mit 48 Teams ausgetragen wird. Das Turnier findet in den USA, Mexiko und Kanada statt und umfasst mehr Spiele, größere Gruppen und ein erweitertes K.-o.-System.


OZD-Extras

OZD-Extras
Nagelsmann arbeitet laut DFB-Insidern an einem spezifischen Fitnessmodell für die WM 2026: Die Mannschaft soll „amerikatauglich“ werden – mit besonderem Fokus auf Reisen, Klimawechsel und Belastungssteuerung.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.