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Der Bahn-Schock in Stuttgart - Zum Heulen oder Lachen?

Der Tiefbahnhof Stuttgart 21 wird erneut später fertig. Bahn-Chefin Evelyn Palla soll laut Medienberichten die Eröffnung wegen gravierender Technikprobleme verschoben haben. Der Vertrauensverlust wächst – mit Millionenfolgen.

Der schier endlose Zeitplan von Stuttgart 21 ist erneut ins Wanken geraten. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat Bahn-Chefin Evelyn Palla die für Ende 2026 geplante Eröffnung des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs abgeblasen. Der Grund: schwerwiegende technische Probleme, die das Großprojekt erneut ins Chaos stürzen. Demnach wurden Aufsichtsrat und Projektpartner bereits informiert.

Offiziell betont die Deutsche Bahn zwar Zurückhaltung und verweist auf „Terminrisiken“, von denen schon im September die Rede war. Doch nun, so heißt es aus Konzernkreisen, hätten sich diese Risiken „in einer bisher nicht vorhersehbaren Dimension erhärtet“. Die Bahn kündigte an, man werde „sofort“ informieren, sobald es konkrete neue Entwicklungen gebe.

Die Verzögerung hat eine lange Vorgeschichte. Als die Planungen für Stuttgart 21 vor Jahrzehnten begannen, war 2019 als Eröffnungsjahr vorgesehen. Doch jedes neue Jahr brachte neue Probleme ans Licht. Im vergangenen Sommer hieß es, ab Dezember 2026 solle Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs über den neuen Tiefbahnhof laufen. Nun ist auch dieser Plan Geschichte.

Der „Spiegel“ nennt als Hauptgrund Probleme am Digitalen Knoten Stuttgart – einem Pilotprojekt zur vollständigen Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik im Großraum Stuttgart. Offenbar gibt es Schwierigkeiten mit der Zulassung von Technik des japanischen Hitachi-Konzerns, einem zentralen Partner der Bahn. Interne Analysen hätten bereits im Sommer erhebliche Risiken gezeigt, die sich nun bestätigten.

Ein neuer Eröffnungstermin ist noch nicht in Sicht. Palla soll klargemacht haben, dass ein valider Terminplan frühestens Mitte des kommenden Jahres möglich sei. Alles andere würde das ohnehin angeschlagene Vertrauen weiter beschädigen.

Für Fahrgastvertreter ist die neue Verzögerung ein Desaster. „Das ist eine Riesen-Blamage“, sagte Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß. Jede weitere Verschiebung koste nicht nur Zeit und Geduld – sondern vor allem Geld, das an anderer Stelle im Bahnnetz fehlen werde.
OZD

OZD-Kommentar

Stuttgart 21 ist längst mehr als ein Bahnhof – es ist ein Symbol deutscher Großprojekt-Realität. Endlose Planungsfehler, politische Eitelkeiten und technische Luftschlösser haben dieses Projekt aufgebläht wie kaum ein anderes. Und jetzt zeigt sich erneut: Die Bahn hat die Lage nicht im Griff.

Dass ausgerechnet der Digitale Knoten Stuttgart nun das Megaprojekt blockiert, ist ein bitteres Paradox. Jahrzehntelang wurde Stuttgart 21 als moderne Zukunftsvision verkauft – heute steht es sinnbildlich für ein System, das weder digital noch effizient funktioniert. Und wenn ein internationaler Konzern wie Hitachi seine Technik nicht durch die Zulassung bekommt, deutet das auf tiefe strukturelle Probleme hin.

Die Bahn verliert Vertrauen, und das nicht zum ersten Mal. Doch diesmal ist der Schaden größer: Stuttgart 21 sollte eine neue Ära des Bahnverkehrs einläuten. Stattdessen wirkt es wie eine Warnung. Die Verschiebung kostet Millionen, lähmt die Mobilitätswende und wirft die Frage auf, ob überhaupt noch jemand den Überblick hat.

Die Verantwortlichen müssen endlich das liefern, was seit Jahren versprochen wird: Klarheit, Verlässlichkeit, Transparenz. Sonst wird Stuttgart 21 zu einem Mahnmal – nicht für Fortschritt, sondern für politisches Versagen.



Mini-Infobox

Mini-Infobox
– Eröffnung 2026 laut Medien abgesagt
– Ursache: technische Probleme am Digitalen Knoten
– Hitachi-Technik soll nicht zugelassen sein
– Neuer Termin frühestens Mitte 2025 möglich
– Projekt seit Jahren massiv verspätet



OZD-Analyse

Warum Stuttgart 21 erneut scheitert
a) Unerwartete technische Hürden im Digitalprojekt
b) Zulassungsprobleme mit Hitachi-Technik
c) Fehlende Risikokontrolle trotz Warnungen im Sommer

Folgen für das Gesamtprojekt
a) Millionen- bis Milliardenschäden durch erneute Verzögerungen
b) Vertrauensverlust bei Fahrgästen, Politik und Partnern
c) Dominoeffekt auf Bauabläufe und Verkehrsplanungen

Was jetzt passieren muss
a) Transparenter Zeitplan, statt symbolischer Eröffnungsdaten
b) Klare Verantwortlichkeiten zwischen Bahn, Partnern und Zulieferern
c) Politische Aufarbeitung, bevor weitere Milliarden versickern

Erklärungen

Was ist Stuttgart 21?
Stuttgart 21 ist ein Großprojekt der Deutschen Bahn, das den bisherigen oberirdischen Kopfbahnhof durch einen neuen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt. Dazu kommen neue Tunnel, Strecken, Haltepunkte und eine grundlegende Neuorganisation des Bahnverkehrs in der Region Stuttgart. Das Projekt gilt als eines der teuersten und umstrittensten Bahnprojekte Deutschlands.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.



OZD-Extras

OZD-Extras
Kurios: Die erste öffentliche Idee zu Stuttgart 21 entstand bereits 1994 – das Projekt ist damit älter als ein Großteil der heutigen Bahnbürger.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.