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Beziehung ja – zusammenziehen nein

Junge Erwachsene lieben – aber oft ohne gemeinsame Wohnung. Fast ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen lebt in Beziehungen mit getrennten Haushalten. Gründe: Arbeit, Geld, Wohnungsnot – und ein neues Bedürfnis nach Freiheit.

Immer mehr junge Erwachsene lieben auf Distanz – zumindest beim Wohnen. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) mitteilt, führt fast jeder dritte 18- bis 24-Jährige eine feste Beziehung, ohne mit dem Partner zusammenzuwohnen. Damit ist diese Altersgruppe Spitzenreiter bei bilokalen Beziehungen. Bei den 40- bis 49-Jährigen sinkt der Anteil auf nur noch rund sieben Prozent.

Insgesamt lebt etwa jeder achte Mensch zwischen 18 und 49 Jahren getrennt vom Partner. Gründe dafür sind oft äußere Zwänge: 62 Prozent nennen berufliche Verpflichtungen, finanzielle Probleme oder die hohe Belastung durch den Wohnungsmarkt. Wenn das getrennte Wohnen bewusst gewählt wird, stehen meist der Wunsch nach Autonomie oder eine fehlende Bereitschaft zum Zusammenzug im Mittelpunkt.

Wissenschaftlich wird diese Form der Partnerschaft „bilokale Beziehung“ genannt. Für junge Menschen ist sie häufig eine Übergangsphase, geprägt von Ausbildung, Studium oder ersten Arbeitsstellen. Ältere hingegen schätzen zunehmend die Freiheit zweier eigener Wohnungen – bei gleichzeitig emotionaler Nähe. „Ältere Personen schätzen häufig die vergrößerte Autonomie und den individuellen Freiraum“, sagt BIB-Experte Heiko Rüger.

Bilokale Beziehungen sind besonders verbreitet unter höher Gebildeten, Ledigen, Geschiedenen und Verwitweten. Fast die Hälfte der Paare wohnt weniger als 30 Minuten voneinander entfernt, ein Drittel braucht jedoch über eine Stunde – mit spürbaren Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit. Laut Studie sind Menschen in bilokalen Beziehungen glücklicher als Singles, liegen aber leicht unter dem Zufriedenheitsniveau von Paaren, die zusammenleben.
OZD

OZD-Kommentar

Die bilokale Beziehung ist weit mehr als ein romantisches Provisorium. Sie ist ein Spiegel einer Generation, die zwischen steigenden Mieten, unsicheren Arbeitswegen und dem Bedürfnis nach Freiheit zerrieben wird. Dass junge Menschen so selten zusammenziehen, ist kein Lifestyle-Gag – es ist ein strukturelles Warnsignal.

Berufliche Unsicherheiten, Wohnungsnot und wirtschaftlicher Druck prägen die Lebensentscheidungen junger Paare wie nie zuvor. Wer es sich nicht leisten kann, zusammenzuziehen, entscheidet sich nicht gegen Nähe – sondern gegen finanzielle Not. Und wo ältere Paare den Komfort getrennter Wohnungen feiern, kämpfen viele Jüngere schlicht mit realen Zwängen.

Die Politik redet gern von Familienförderung und stabilen Beziehungen. Doch die Realität zeigt, dass selbst der Schritt in eine gemeinsame Wohnung für viele Paare zu einem Luxus geworden ist. Und genau das könnte langfristig Partnerschaften belasten. Denn wer Beziehungen nur in Lücken zwischen Arbeit, Pendelstress und Wohnungsproblemen führen kann, lebt immer ein Stück unter dem eigenen Glücksniveau.



Mini-Infobox

Mini-Infobox
– 1/3 der 18–24-Jährigen lebt bilokal
– 62 % nennen berufliche oder finanzielle Gründe
– Höhere Bildung erhöht Wahrscheinlichkeit bilokaler Beziehungen
– Hälfte wohnt max. 30 Minuten entfernt
– Zufriedenheit höher als bei Singles, niedriger als bei Paaren im gemeinsamen Haushalt

OZD-Analyse

1. Warum bilokale Beziehungen zunehmen
a) Arbeits- und Ausbildungsdruck – viele junge Paare leben in verschiedenen Städten
b) Wohnungsnot – hohe Mieten verhindern frühe gemeinsame Haushalte
c) Wandel der Beziehungskultur – mehr Fokus auf Selbstständigkeit und Autonomie

2. Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Paaren
a) Jüngere: Übergangsphase aufgrund externer Zwänge
b) Ältere: bewusste Wahl für Freiheit, Individualität und getrennte Routinen
c) Soziale Faktoren: Höhergebildete und Geschiedene häufiger betroffen

3. Auswirkungen auf Partnerschaft und Gesellschaft
a) Zufriedenheit: bilokale Partnerschaften stabil, aber leicht unter Paaren im gemeinsamen Haushalt
b) Infrastruktur: Pendeldistanz beeinflusst Beziehungsalltag spürbar
c) Langfristige Trends: mögliche Verlagerung des traditionellen Familienmodells




Erklärungen

Was ist eine bilokale Beziehung?
Eine bilokale Beziehung beschreibt Partnerschaften, in denen beide Partner getrennte Haushalte führen – unabhängig davon, wie nah oder weit sie voneinander entfernt leben. Gründe reichen von beruflichen Zwängen bis hin zum Wunsch nach mehr Autonomie.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

OZD-Extras

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Fun Fact: In Deutschland leben mehr Paare bilokal als in jedem anderen EU-Land – ein Trend, der Forschern zufolge weiter zunehmen wird.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.