Nach monatelangen Verhandlungen hat das Europäische Parlament am Dienstag in Straßburg die Reform der europäischen Führerscheinregeln beschlossen – mit deutlichen Veränderungen für Millionen Autofahrerinnen und Autofahrer. Die Abgeordneten stimmten zwei Gesetzespaketen zu, die künftig für mehr Verkehrssicherheit, Einheitlichkeit und digitale Modernisierung sorgen sollen.
Ein zentraler Punkt: Pflicht-Gesundheitstests für ältere Menschen werden nicht eingeführt. Der umstrittene Vorschlag der EU-Kommission, wonach Autofahrer ab 70 Jahren alle fünf Jahre einen Gesundheitsnachweis erbringen sollten, wurde endgültig verworfen. Deutschland, unterstützt von Österreich und Belgien, hatte sich vehement gegen die Altersgrenze gewehrt.
Dafür kommen andere einschneidende Änderungen: Wer im EU-Ausland ein Fahrverbot erhält – etwa nach einem Unfall oder wegen Trunkenheit am Steuer – darf künftig in keinem Mitgliedsstaat mehr fahren. Bislang galt ein solches Verbot nur in dem Land, das es verhängt hatte.
Ein europaweites Punktesystem bleibt zwar aus, doch die Austauschpflicht über schwere Verkehrsverstöße wird deutlich verschärft. Zudem wird ab 2030 ein digitaler Führerschein eingeführt, den alle Fahrerinnen und Fahrer über ihr Smartphone abrufen können. Die klassische Plastikkarte bleibt optional.
Der TÜV-Verband begrüßte den Schritt, warnte aber vor technischen Hürden. „In Deutschland ist dafür noch sehr viel Arbeit zu leisten“, sagte Bereichsleiter Richard Goebelt. Die unterschiedlichen Software-Systeme der Bundesländer erschwerten derzeit die Umsetzung.
Für junge Fahrer kommt ebenfalls eine Neuerung: Künftig gilt in der gesamten EU eine zweijährige Probezeit, begleitetes Fahren ab 17 Jahren wird europaweiter Standard. „Das deutsche Erfolgsmodell wird europäisch“, freute sich der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Auch die SPD-Abgeordnete Vivien Costanzo sprach von einem wichtigen Beitrag „für mehr Sicherheit und Erfahrung im Straßenverkehr“.
Die neuen EU-Regeln treten nach Zustimmung des Rates der Mitgliedsstaaten in Kraft – die Zustimmung gilt als reine Formalie.
OZD-Kommentar:
Die EU hat Vernunft gezeigt: Statt pauschale Alterskontrollen
durchzusetzen, setzt Brüssel auf Verantwortung und Technologie. Das ist
ein Sieg der Realität über Bürokratie. Denn ein 75-Jähriger kann fitter
am Steuer sein als ein 25-Jähriger mit Smartphone in der Hand. Die neue
Reform modernisiert Europas Straßenverkehr – mit digitalen
Führerscheinen, gemeinsamen Standards und klareren Regeln. Doch sie
zeigt auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle bleibt nötig. Ohne europaweite
Datensysteme drohen die guten Ideen am Föderalismus zu scheitern.
Mini-Infobox:
Beschluss: EU-Parlament, Oktober 2025
Digitaler Führerschein: ab 2030 verfügbar
Pflichttests für Senioren: gestrichen
Probezeit: künftig EU-weit zwei Jahre
Begleitetes Fahren: ab 17 europaweiter Standard
OZD-Analyse:
Kernpunkte der Reform
– a) Einführung eines digitalen Führerscheins.
– b) Harmonisierung der Regeln bei Fahrverboten.
– c) Keine verpflichtenden Tests für Senioren.
Politische Bedeutung
– a) Sieg der moderaten Mitgliedsstaaten über Brüsseler Bürokratie.
– b) Symbol für Digitalisierung im Alltag.
– c) Schritt zu mehr rechtlicher Einheit im Straßenverkehr.
Zukunftsausblick
– a) Technische Umsetzung in den Mitgliedsstaaten entscheidend.
– b) Möglichkeit weiterer Digital-Integration (Versicherung, Fahrzeugdaten).
– c) Herausforderung: Datenschutz und nationale Verwaltungsstrukturen.
Was ist das Europäische Parlament?
Das Europäische Parlament
ist die direkt gewählte Volksvertretung der Europäischen Union. Es hat
720 Abgeordnete aus allen Mitgliedsstaaten und entscheidet gemeinsam mit
dem Rat der EU über Gesetze, den EU-Haushalt und internationale Abkommen.
OZD-Extras:
Fun-Fact: Der älteste aktive Autofahrer Europas ist laut Guinness-Buch ein 106-jähriger Brite – mit gültigem Führerschein seit 1938.**
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.