Deutschland macht ernst: Am 28. Februar fällt die Entscheidung, wer die Bundesrepublik beim 70. Eurovision Song Contest in Wien vertreten wird. Die ARD bestätigte den Termin für „Eurovision Song Contest – Das Deutsche Finale 2026“, und SWR-Koordinatorin Tina Sikorski formulierte das Ziel unmissverständlich: Man suche „den perfekten Act“ für Europas größte Musikbühne.
Erstmals liegt die Gesamtverantwortung nicht mehr beim NDR, sondern beim SWR – ein Neuanfang, der auch das Konzept kräftig durchschüttelt. Statt vieler Vor-Shows, wie sie unter der Regie von Stefan Raab zuletzt bei RTL und ARD liefen, setzt der SWR auf eine einzige, kompakte Finalsendung. Dahinter steckt ein interner Auswahlprozess, der laut SWR monatelang lief und Musikerinnen und Musiker mit internationalen Produzenten und Songwritern zusammenbrachte. Die besten Kombinationen wurden anschließend von Branchenprofis, einer internationalen Jury und Publikumsvertretern bewertet – erst im Januar wird preisgegeben, wer sich für die große Bühne qualifiziert hat.
Parallel dazu sorgt die geopolitische Lage für Unruhe im ESC-Kosmos. Nachdem mehrere Länder einen Ausschluss Israels gefordert hatten, machte die EBU erst vergangene Woche den Weg zur Teilnahme des Landes frei. Spaniens, Irlands, der Niederlande und Sloweniens Boykottankündigungen erschüttern den Wettbewerb, doch die Mehrheit der Nationen bleibt dabei. Für Deutschland war die Frage der Teilnahme eng mit der Israel-Entscheidung verknüpft – nun ist klar: Berlin ist 2026 sicher dabei.
Die kommende Ausgabe verspricht zudem einen besonderen Rahmen: Nach dem Sieg des österreichischen Countertenors JJ in Basel wird Wien am 16. Mai zum Schauplatz des ESC-Finales, zum 70. Jubiläum des Wettbewerbs. Für die deutschen Hoffnungen beginnt nun die kritische Phase – und der Druck, aus den Fehlern vergangener Jahre zu lernen, war selten größer.
OZD
OZD-Kommentar – „Ein Vorentscheid zwischen Kunst, Krise und Kalkül“
Deutschland will den „perfekten Act“ – doch die Frage ist, ob dieses
Land überhaupt weiß, wen es zu diesem Contest schicken will. Die
ESC-Geschichte der vergangenen Jahre ist ein Lehrbuch verpasster
Chancen: zu glatt, zu brav, zu wenig Risiko. Jetzt übernimmt der SWR,
und plötzlich klingt vieles nach Ambition. Aber ein interner
Auswahlprozess ist nur so gut wie das Selbstbewusstsein, das am Ende auf
der Bühne steht. Gleichzeitig hängt der Schatten der geopolitischen
Spannungen über diesem Wettbewerb wie ein grauer Vorhang, der zeigt,
dass der ESC längst politisch ist, ob man es will oder nicht.
Deutschland muss entscheiden, ob es mutig wird – oder wieder Mittelmaß
produziert.

Mini-Infobox:
Deutscher ESC-Vorentscheid 2026: 28. Februar live in der ARD
Neue Federführung: NDR → SWR
Interner Auswahlprozess mit internationalen Produzenten
Finalteilnehmer werden im Januar veröffentlicht
ESC-Finale 2026: 16. Mai in Wien
OZD-Analyse
1. Der Systemwechsel: Was der SWR anders macht
a) Reduktion auf eine einzige Finalshow – mehr Fokus, weniger Chaos. –
b) Internationale Teams sollen Deutschlands musikalischen Anspruch heben. –
c) Die Jury-Mischung soll Trendgefühl, Technik und Publikumsnähe vereinen. –
2. Politische Wellen schlagen bis nach Wien
a) Israels Teilnahme sorgt für Boykottbewegungen – ESC bleibt ein Spiegel globaler Spannungen. –
b) Deutschlands Teilnahme war indirekt an die EBU-Entscheidung gekoppelt. –
c) Boykotte könnten das Teilnehmerfeld verschieben – aber nicht den Kern des Wettbewerbs. –
3. Deutschlands Chancen – und Risiken
a) Der neue Prozess kann frischen Mut bringen, birgt aber Erwartungsdruck. –
b) Ob der „perfekte Act“ gefunden wird, hängt von Songqualität und Bühnenpräsenz ab. –
c) Der ESC belohnt Mut – und straft Durchschnitt rigoros ab. –

Erklärungen
Was ist die EBU?
Die Europäische Rundfunkunion ist der Dachverband öffentlich-rechtlicher
Sender in Europa. Sie organisiert unter anderem den Eurovision Song
Contest und legt dessen Regeln und Teilnahmebedingungen fest.
Was ist der Eurovision Song Contest?
Der ESC ist seit 1956 der größte Musikwettbewerb der Welt. Jedes Land
schickt einen Act ins Rennen; über Jury- und Publikumsstimmen wird der
Sieger ermittelt. Politische Konflikte, Trends und Popkultur verdichten
sich in diesem Event wie in keinem anderen.
OZD-Extras
Fun Fact: Der ESC ist
älter als die Bundesliga, die Mondlandung und die meisten Popgenres –
und dennoch jedes Jahr ein globaler Streaming-Champion.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.