Das Oberlandesgericht musste das Strafmaß nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs neu festsetzen, bestätigte jedoch die Schwere der Schuld. Die Taten selbst wurden dabei nicht erneut verhandelt – sie gelten als umfassend bewiesen.
Die Angeklagte, eine deutsche Staatsangehörige, war im Jahr 2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Syrien ausgereist und hatte sich dem IS angeschlossen. Später lebte das Paar im von der Miliz eroberten Mossul im Irak. Dort hielten sie ab 2016 eine jesidische Frau als Haussklavin. Diese wurde systematisch entrechtet, zur Arbeit gezwungen und vom Ehemann der Angeklagten wiederholt sexuell missbraucht.
In einem ersten Urteil hatte das Oberlandesgericht die Frau im Jahr 2023 zu neun Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil weitgehend, beanstandete jedoch einen rechtlichen Punkt: Die zusätzliche Verurteilung wegen Beihilfe zum Völkermord sei nach der zwischenzeitlich geänderten Rechtsprechung nicht zulässig. Zwar habe der IS einen Völkermord an den Jesiden begangen, dies rechtfertige jedoch nicht automatisch eine entsprechende individuelle Verurteilung der Angeklagten.
Das Koblenzer Gericht verurteilte die Frau nun unter anderem wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen durch sexuelle Gewalt sowie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die neue Strafe fiel etwas niedriger aus, ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Einordnung der Tat als schweres Menschheitsverbrechen. OZD / ©AFP.
OZD-Kommentar – Gerechtigkeit kennt keine Verjährung
Dieses Urteil ist mehr als eine juristische Korrektur – es ist ein klares Signal. Deutschland bleibt ein Ort, an dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden, auch wenn sie tausende Kilometer entfernt begangen wurden. Dass die Strafe nun niedriger ausfällt, liegt nicht an geringerer Schuld, sondern an der strengen Auslegung des Rechtsstaats. Entscheidend ist: Die Versklavung eines Menschen wird klar benannt und geahndet. Für die Opfer ist jedes Urteil ein Schritt gegen das Vergessen – und gegen die Normalisierung des Grauens.
Mini-Infobox
– Haftstrafe: 8,5 Jahre
– Tatort: Syrien und Irak
– Opfer: Jesidische Haussklavin
– Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit
– Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
OZD-Analyse
Juristische Bedeutung
– a) Anwendung des Weltrechtsprinzips
– b) Klarstellung zur Beihilfe beim Völkermord
– c) Präzisierung der Strafzumessung
Die Tat
– a) Systematische Versklavung
– b) Beihilfe zu sexueller Gewalt
– c) Aktive Unterstützung des IS-Alltags
Gesellschaftliche Relevanz
– a) Sichtbarkeit jesidischer Opfer
– b) Verantwortung deutscher Staatsbürger im Ausland
– c) Signal gegen Straflosigkeit bei Terrorverbrechen
Was sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit?
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind besonders schwere Straftaten
wie Versklavung, Deportation oder sexuelle Gewalt, die systematisch
gegen Zivilisten begangen werden. Sie können nach internationalem Recht
auch außerhalb des Tatorts verfolgt werden.
Wer sind die Jesiden?
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit, vor allem im Nordirak. Sie
wurden 2014 Ziel eines systematischen Vernichtungsfeldzugs des IS, der
von den Vereinten Nationen als Völkermord eingestuft wurde.
OZD-Extras
Das Verfahren in Koblenz gehört zu den wichtigsten IS-Prozessen in
Deutschland und gilt international als Referenzfall für die Ahndung von
Versklavung.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.