Indien hat seinen ehemaligen Premierminister Manmohan Singh in einer pompösen Zeremonie mit allen militärischen Ehren beigesetzt. Der 92-jährige Politiker, der am Donnerstag in Neu Delhi verstorben war, wurde am Samstag mit einem Staatsbegräbnis gewürdigt. Unter den Trauergästen waren Premierminister Narendra Modi sowie Präsidentin Draupadi Murmu, die gemeinsam die Ehrungen des langjährigen Politikers vornahmen.
Der Sarg Singhs, der mit Blumen geschmückt war, wurde von einer Ehrengarde flankiert und in einer feierlichen Prozession durch Neu Delhi getragen. Zunächst wurde er zum Sitz der Kongresspartei transportiert, bevor er von den Trauernden begleitet wurde. Premierminister Modi bezeichnete Singh als "einen der größten Anführer, die Indien je gekannt hat". Präsidentin Murmu hob Singhs "extremen Dienst an der Nation" und seine "Bescheidenheit" hervor. Auch Oppositionsführer Rahul Gandhi, der zusammen mit der Familie Singhs betete, betonte, dass er einen Mentor und Anführer verloren habe, der Indien "mit großer Weisheit und Integrität" geführt habe.
An der Zeremonie nahm auch der König von Bhutan, Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, teil, was die internationale Bedeutung des Verstorbenen unterstrich. Singh war 1932 in einem Lehmhüttendorf im heutigen Pakistan geboren worden. Nach seinem Studium an den renommierten Universitäten Cambridge und Oxford in Wirtschaftswissenschaften, das er mit dem Ziel unternahm, die Armut in Indien zu bekämpfen, bekleidete er mehrere wichtige Führungspositionen im öffentlichen Dienst, bevor er 2004 zum Premierminister gewählt wurde.
Unter seiner Leitung erlebte Indien in der ersten Amtszeit einen Wirtschaftsboom, der die Wachstumsrate des Landes auf neun Prozent steigen ließ. Ein bedeutender Erfolg war auch das Atomabkommen mit den USA, das dem Land half, seinen steigenden Energiebedarf zu decken. Doch in seiner zweiten Amtszeit verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum, und Korruptionsskandale trübten das Bild des als "Mr. Clean" bekannten Politikers. Diese Herausforderungen trugen 2014 zu seinem Rückzug zugunsten von Narendra Modi bei.
Singh war bis zuletzt ein respektierter Staatsmann, dessen Vermächtnis von internationalen Führungspersönlichkeiten, darunter US-Präsident Joe Biden, gewürdigt wurde. Biden bezeichnete Singh als einen "wahren Staatsmann", der "bahnbrechende Fortschritte" für Indien erzielt habe und dessen Einfluss "die Welt für kommende Generationen stärken wird".
Singh starb im Alter von 92 Jahren am Donnerstag in einem Krankenhaus in Neu Delhi. Die indische Regierung rief eine siebentägige Staatstrauer aus, um den Verstorbenen zu ehren.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Ein Abschied von einer Ära – Manmohan Singhs politisches Erbe und die Herausforderungen der Zukunft
Die Beisetzung von Manmohan Singh markiert das Ende einer politisch prägenden Ära in Indien. Als Premierminister führte Singh das Land durch eines der bemerkenswertesten wirtschaftlichen Wachstumsphasen der jüngeren Geschichte, doch die Schatten von Korruption und einem stagnierenden Wirtschaftswachstum in seiner zweiten Amtszeit werfen auch einen kritischen Blick auf sein Erbe. Seine Bescheidenheit und Integrität wurden vielfach gewürdigt, aber die Frage bleibt: Hat er genug getan, um die strukturellen Herausforderungen, die Indien heute prägen, nachhaltig zu lösen?
Der Abgang Singhs könnte auch eine Chance für einen Neubeginn in der indischen Politik sein. Der Fokus auf den Ausbau der Wirtschaft und die Bekämpfung von Korruption könnte künftig noch stärker im Mittelpunkt stehen, wenn Indien seine globalen Ambitionen weiter ausbauen will. Die kommenden Wochen könnten zeigen, ob und wie das Land eine klare Linie nach Singhs politischem Erbe ziehen wird.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Manmohan Singh?
Manmohan Singh wurde am 26. September 1932 in Gah, einem Dorf im heutigen Pakistan, geboren. Er wuchs in einer Zeit des politischen Umbruchs auf und migrierte nach der Teilung Indiens nach Indien. Singh absolvierte seine Studien in Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Cambridge und Oxford. Vor seinem politischen Aufstieg war er in verschiedenen internationalen Organisationen tätig, darunter die Vereinten Nationen und die Weltbank.
Singh wurde 2004 Premierminister von Indien und blieb bis 2014 im Amt. Unter seiner Führung erlebte Indien ein beispielloses wirtschaftliches Wachstum, das ihm internationale Anerkennung einbrachte. Besonders bemerkenswert war sein Beitrag zur Liberalisierung der indischen Wirtschaft und zur Schaffung des Atomabkommens mit den USA. In den letzten Jahren seiner Amtszeit kämpfte er jedoch mit zunehmenden Korruptionsvorwürfen und einer sinkenden Popularität.
Was ist die Kongresspartei Indiens?
Die Indische Nationalkongresspartei (INC) ist eine der ältesten politischen Parteien Indiens und spielte eine zentrale Rolle in der Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Kolonialherrschaft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1885 hat die Partei die indische Politik maßgeblich geprägt. Sie stellte mehrere indische Premierminister, darunter Jawaharlal Nehru, Indira Gandhi und Manmohan Singh. Heute kämpft die Partei um ihre politische Relevanz, insbesondere nach den Erfolgen der BJP unter Narendra Modi.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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