Es ist ein sonniger Morgen in Schleswig-Holstein. Auf einem Feld bei Husum drehen sich Dutzende Windräder im Takt des Nordseewinds. Der Strom, den sie erzeugen, fließt in Haushalte, Schulen, Krankenhäuser – und in die Zukunft. Deutschland hat sich aufgemacht, seine Energieversorgung grundlegend zu verändern. Die Energiewende ist kein abstraktes Konzept mehr – sie ist Realität.
Seit dem Atomausstieg 2011 hat sich das Land auf einen beispiellosen Umbau eingelassen: Weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Heute stammen rund 50 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. Und das Ziel ist klar: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.
Doch die Energiewende ist mehr als Klimapolitik. Sie ist ein Innovationsmotor, ein Jobgarant, ein Stück Unabhängigkeit. In Orten wie Feldheim in Brandenburg versorgen sich Bürger längst selbst mit Strom und Wärme. In Bayern entstehen Solarfarmen auf ehemaligen Militärflächen. Und in NRW wandeln sich alte Kohlegruben zu grünen Reallaboren.
Kritischer Kommentar
Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt – und sie ist überfällig. Jahrzehntelang hat Deutschland auf Kohle, Öl und Atom gesetzt, mit allen bekannten Folgen: Klimakrise, Abhängigkeit, Altlasten. Jetzt endlich wird umgesteuert. Doch der Weg ist steinig.
Netzausbau, Bürokratie, soziale Gerechtigkeit – all das sind Baustellen, die nicht ignoriert werden dürfen. Wer die Energiewende will, muss sie auch gestalten: mutig, sozial, technologieoffen. Denn eines ist klar: Die Kosten des Nichtstuns wären ungleich höher.
OZD-Analyse
Klimaschutz und Umwelt a) Die Energiewende reduziert CO₂-Emissionen und schützt das Klima. b) Der Ausstieg aus Kohle und Atom senkt Umwelt- und Gesundheitsrisiken. c) Erneuerbare Energien sind sauber, leise und langfristig verfügbar.
Wirtschaft und Innovation a) Die Energiewende schafft Arbeitsplätze – von der Solartechnik bis zur Speicherforschung. b) Deutschland wird zum Vorreiter für grüne Technologien und Exportmärkte. c) Regionale Wertschöpfung stärkt ländliche Räume und mittelständische Betriebe.
Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit a) Erneuerbare Energien machen Deutschland unabhängiger von Energieimporten. b) Dezentrale Strukturen erhöhen die Resilienz gegenüber Krisen. c) Bürgerenergieprojekte fördern Akzeptanz und Teilhabe.
Gesellschaftlicher Wandel a) Die Energiewende verändert Lebensstile – vom E-Auto bis zur Wärmepumpe. b) Sie fordert neue Bildungs- und Beteiligungsformate. c) Sie ist ein kultureller Wandel hin zu mehr Verantwortung und Zukunftsdenken.
In einem Land, das sich zur klimaneutralen Industrienation erklären will, weht kräftig der Wind – im wahrsten Sinne des Wortes. 2024 erreichten die erneuerbaren Energien in Deutschland einen Rekord: Rund 60 % des Stroms stammen mittlerweile aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Die Windkraft allein lieferte über 31 % – ein Beweis für technologischen Fortschritt und politisches Durchhaltevermögen. Doch das Bild ist komplexer.
Gleichzeitig importierte Deutschland fast 18 % mehr Strom als im Vorjahr – vor allem aus Frankreichs Atomstrom und Skandinaviens Wasserkraftwerken. Die Abhängigkeit von Energieimporten bleibt spürbar, auch wenn die eigenen Gasspeicher zu über 80 % gefüllt sind. Der Umstieg gelingt – aber nicht autark.
Der Energieverbrauch ist leicht rückläufig, auch dank mehr Effizienz und zurückhaltender Wirtschaftsentwicklung. Die CO₂-Emissionen der Energiewirtschaft sanken erneut – um 9 % gegenüber 2023. Seit 1990 wurden ganze 61 % eingespart. Ein Kraftakt. Doch beim Preis merken viele Bürger davon zu wenig: Strom und Gas sind zwar günstiger als 2023, bleiben im internationalen Vergleich aber teuer.
OZD-Erklärungen
Energiewende Der Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse – verbunden mit Energieeffizienz und Dekarbonisierung.
Klimaneutralität Ein Zustand, in dem keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen – entweder durch Vermeidung oder durch Ausgleich.
Dezentrale Energieversorgung Strom- und Wärmeerzeugung nahe am Verbrauchsort – etwa durch Solaranlagen auf Dächern oder lokale Biogasanlagen.
Bürgerenergie Energieprojekte, die von Bürgern initiiert, finanziert oder betrieben werden – etwa Genossenschaften oder kommunale Versorger.
Netzausbau Der Ausbau von Stromleitungen, um erneuerbare Energien aus wind- und sonnenreichen Regionen in Verbrauchszentren zu transportieren.
OZD-Biografien und Institutionen
Robert Habeck Bundeswirtschaftsminister (Grüne), treibende Kraft hinter dem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien.
Agora Energiewende Thinktank für Energiepolitik, liefert Studien und Strategien zur Umsetzung der Energiewende.
Fraunhofer ISE Führendes Forschungsinstitut für Solartechnologie und Energiesysteme in Deutschland.
Bundesnetzagentur Regulierungsbehörde für Stromnetze, zuständig für Netzausbau und Versorgungssicherheit.
Greenpeace Energy (heute: Green Planet Energy) Energieversorger, der ausschließlich Ökostrom anbietet und Bürgerprojekte unterstützt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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