Deutschland schlägt ein neues Kapitel in der Klimapolitik auf: Der Bundesrat hat am Freitag einer Gesetzesänderung zugestimmt, die erstmals die kommerzielle Speicherung von CO₂ tief unter dem Meeresboden ermöglicht. Die Bundesregierung plant darüber hinaus den Aufbau eines bundesweiten CO₂-Pipelinenetzes. Das Gesetz sei ein „wichtiger Baustein zur Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaft“, betonte Stefan Rouenhoff (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
Speicherstätten auf dem Festland bleiben vorerst tabu, doch die Länder dürfen künftig eigene Regeln für CO₂-Lager an Land beschließen. Im Fokus stehen zunächst die Transportwege: Ein neues Pipeline-System soll CO₂ aus Industriebetrieben zu Speicherstätten leiten.
Die Technologie der Stunde heißt CCS – Carbon Capture and Storage. Dabei wird CO₂ aus industriellen Prozessen abgeschieden und dauerhaft in tiefen geologischen Formationen eingelagert. Wird es industriell weiterverwertet, spricht man von CCU. Die Bundesregierung verweist auf Branchen wie Zement- oder Aluminiumproduktion, bei denen Emissionen technisch nicht vollständig vermeidbar seien. Für diese Sektoren soll CCS ein Ausweg sein, um Deutschlands Klimaziele überhaupt erreichen zu können.
Umweltschützer kritisieren den Kurswechsel scharf. Klimaschützer warnen, CCS könne als Ausrede dienen, fossile Energieträger weiter zu nutzen und den Umstieg auf erneuerbare Energien zu verzögern. Doch trotz des Widerstands hat die Regierung den Weg freigemacht – und damit eine der umstrittensten Technologien der Energiewende ins Zentrum gerückt.
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OZD-KommentarDer Beschluss des Bundesrats wirkt wie ein politischer Dammbruch. Deutschland setzt auf eine Technologie, die jahrelang als riskant, teuer und gefährlich galt – und verkauft sie nun als Rettungsanker für die Industrie. Dabei ist klar: CCS kann niemals die Lösung für einen langsamen Abschied aus Fossilen sein. Wer heute CO₂ in die Nordsee pumpt, muss gleichzeitig beweisen, dass er morgen keine neuen Emissionen produziert. Doch genau dieser Wille fehlt vielen Akteuren. Die Gefahr liegt darin, dass CCS zur bequemen Ausrede wird – ein technisches Pflaster, hinter dem die eigentliche Transformation weiter aufgeschoben wird. Deutschlands Klimapolitik steht damit erneut vor einer Mutprobe: Weichenstellen oder Wegducken?

Bundesrat stimmt CO₂-Speicherung unter dem Meeresboden zu
Aufbau eines bundesweiten CO₂-Pipelinenetzes geplant
CCS soll Emissionen aus Industrieprozessen abfangen
Länder können künftig eigene Regeln für Speicher an Land beschließen
Scharfe Kritik von Umweltverbänden
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Politische Einordnung
– CCS galt lange als Tabuthema und erlebt nun ein Comeback in der deutschen Klimapolitik.
– Die Bundesregierung sieht darin einen „industriellen Rettungsanker“ für unvermeidbare Emissionen.
– Kritiker befürchten eine Verschleppung echter Transformationsprozesse.
Wirtschaftliche Hintergründe
– a) Zement- und Aluminiumindustrie stoßen Emissionen aus, die derzeit technisch kaum vermeidbar sind.
– CCS soll konkurrenzfähige industrielle Produktion in Deutschland halten.
– b) Aufbau eines Pipeline-Netzes schafft neue Infrastruktur mit hohen Kosten
– Finanzierung, Standortwahl und Sicherheitsfragen sind noch ungeklärt.
– c) Export von CO₂-Technologien könnte wirtschaftlich relevant werden
– Deutschland positioniert sich frühzeitig in einem global wachsenden Markt.
Risiken und offene Fragen
– CCS kann Lecks oder Umweltgefahren erzeugen, wenn Standards nicht höchsten Maßstäben entsprechen.
– Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist fragil – besonders bei Lagern an Land.
– Die zentrale Frage bleibt: Wird CCS zur Ergänzung oder zum Ersatz echter Emissionsvermeidung?

CCS (Carbon Capture and Storage)
bezeichnet die Abscheidung von CO₂ aus Industrieprozessen und die
dauerhafte Speicherung tief unter dem Meeresboden oder in geologischen
Formationen. Ziel ist es, Emissionen zu mindern, die technisch kaum
vermeidbar sind.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
CCU (Carbon Capture and
Utilization) beschreibt die Weiterverwendung von abgeschiedenem CO₂ in
der Industrie, etwa in Chemieprozessen oder Baustoffen, statt es zu
speichern.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Stefan Rouenhoff ist
parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und
CDU-Politiker. Er setzt sich für industriepolitische Maßnahmen zur
Dekarbonisierung ein, darunter auch die Einführung von CCS-Strukturen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

Extra: Europas Blick auf CCS
In vielen EU-Staaten wird CCS bereits genutzt – Norwegen ist Vorreiter.
Deutschland steigt spät ein, könnte aber durch seine industrielle Stärke
schnell zu einem der größten CO₂-Speicher-Akteure Europas werden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.