Streit um die Stromsteuer: Koalitionsausschuss sucht im Kanzleramt nach Lösungen
Wenige Tage vor den entscheidenden Haushaltsberatungen für das Jahr 2025 steht die schwarz-rote Bundesregierung unter Hochspannung. Beim Koalitionsausschuss im Berliner Kanzleramt ringen die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch um einen Kompromiss bei der Stromsteuer. Auch neue Forderungen nach Einsparungen beim Bürgergeld erhitzen die Gemüter. Das Treffen unter Leitung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) gilt als Testfall für den innerkoalitionären Zusammenhalt – und für die Glaubwürdigkeit des Koalitionsvertrags.
Konkret geht es um die Stromsteuer-Senkung, die laut Koalitionsvertrag „für alle“ kommen sollte. Vergangene Woche hatte die Bundesregierung beschlossen, diese zunächst nur auf das produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft zu beschränken. Dass einzelne CDU-Politiker diese Linie nun in Frage stellen, sorgt für Spannungen mit dem Koalitionspartner SPD. Generalsekretär Tim Klüssendorf zeigte sich jedoch optimistisch, dass ein Kompromiss gefunden werde. Kanzler Merz selbst deutete an, dass auch private Haushalte von Entlastungen profitieren könnten.
CSU-Chef Markus Söder beharrte indes auf der Einhaltung der Vereinbarung. „Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart. Und ich finde, wir sollten unser Wort halten“, sagte er in einem Interview. Als mögliche Lösung brachte er gestaffelte Senkungen oder eine Reduktion der Netzentgelte ins Spiel.
Ein weiteres Streitthema ist das Bürgergeld. Vertreter der Union monierten zuletzt die hohen Kosten von mehr als 50 Milliarden Euro und forderten schärfere Sanktionen. Die Regierung plant Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr – unter anderem durch eine konsequentere Durchsetzung der Regeln durch die Jobcenter.
Neben den Sachfragen steht auch das Miteinander in der Regierung auf dem Prüfstand. Merz räumte ein, dass es bei der Kommunikation innerhalb der Koalition erheblichen Nachbesserungsbedarf gebe. „Wir müssen besser zusammenarbeiten“, sagte er. Die Liste der Teilnehmer beim Treffen ist lang – von Generalsekretären über Minister bis zu Staatssekretären reicht die Runde. Kanzleramtsminister Thorsten Frei ist nicht anwesend, wird aber vertreten.
Der Koalitionsausschuss war erstmals Ende Mai zusammengetreten. Nun entscheidet sich, ob die Regierung bis zur Sommerpause mit einem klaren Fahrplan und geschlossenen Reihen in den Bundestag geht – oder mit weiteren offenen Flanken.
OZD
OZD-Kommentar
Die Koalition taumelt – nicht weil sie keine Mehrheit hätte, sondern weil sie den Kompass verloren hat. Wer in Berlin dieser Tage auf Lösungen hofft, wird stattdessen Zeuge eines politischen Rechenspiels, bei dem der kleinste gemeinsame Nenner zur Maxime erhoben wird.
Die Stromsteuer sollte für alle sinken – so steht es schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Doch jetzt knicken führende Christdemokraten vor den haushaltspolitischen Realitäten ein. Die SPD wiederum pocht auf Fairness, tut aber zu wenig, um ihre soziale Handschrift zu zeigen. Und über all dem schwebt ein Kanzler, der mehr Moderator als Macher ist.
Wenn diese Regierung nicht bald die Richtung klärt, wird sie ihr Mandat verspielen. Vertrauen entsteht nicht durch Prüfaufträge, sondern durch Entscheidungen. Und wer Entlastung verspricht, darf nicht zögern, wenn sie politisch weh tut.
OZD-Analyse
1. Warum die Stromsteuer die Koalition entzweit
a) Was beschlossen wurde
– Senkung nur für produzierendes Gewerbe sowie Land- und Forstwirtschaft
– Keine generelle Entlastung für Haushalte
b) Was vereinbart war
– Koalitionsvertrag sieht Senkung „für alle“ vor
– SPD sieht Wortbruch, Union verweist auf Haushaltslage
2. Das Bürgergeld – Symbolpolitik oder echte Reform?
a) Kostenexplosion?
– Über 50 Milliarden Euro jährlich
– Regierung plant Kürzung durch verschärfte Sanktionen
b) Was die Union fordert
– Deutlich härteres Durchgreifen
– Entlastung des Bundeshaushalts durch geringere Transfers
3. Politische Tragweite der Haushaltswoche
a) Verhandlungsmarathon steht bevor
– Abschlussberatungen im Bundestag über Etat 2025
– Koalitionsausschuss legt Weichen
b) Misstrauen wächst intern
– CDU und CSU nicht geschlossen
– SPD zunehmend irritiert über Umgang mit Absprachen
Was ist der Koalitionsausschuss?
Der Koalitionsausschuss ist ein informelles Gremium innerhalb einer Regierungskoalition. Dort treffen sich die Spitzen der beteiligten Parteien, um Konflikte zu lösen und politische Grundsatzentscheidungen abzustimmen. In Deutschland kommt dem Ausschuss besondere Bedeutung zu, wenn die Koalition aus mehreren großen Parteien besteht und Streit droht, wie aktuell zwischen CDU, CSU und SPD.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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