Beschlagnahmte Fahrräder verkauft: Geldstrafe für Leipziger Polizistin rechtskräftig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen eine Leipziger Polizistin wegen des Verkaufs beschlagnahmter Fahrräder bestätigt. Die Entscheidung des Landgerichts Leipzig aus dem Oktober, die Frau wegen Untreue, Bestechlichkeit und Verwahrungsbruchs im Amt zu einer Geldstrafe in Höhe von 17.100 Euro zu verurteilen, ist damit rechtskräftig. Zwischen 2014 und 2018 hatte die ehemalige Leiterin der Asservatenstelle insgesamt 72 Fahrräder gegen Geld an Kollegen und Bekannte weitergegeben.
Dabei handelte es sich um Räder, die zwar sichergestellt, aber trotz öffentlicher Aufforderung nicht abgeholt worden waren. Intern war das Ziel ausgegeben worden, die riesigen Fahrradbestände, die zwischenzeitlich auf 3000 Räder angewachsen waren, abzubauen – bevorzugt durch Verschrottung oder kostenlose Abgabe an gemeinnützige Vereine.
Stattdessen nutzte die Polizistin die Situation aus: Sie verlangte in den meisten Fällen 50 Euro pro Rad, gelegentlich auch eine Spendenquittung für einen gemeinnützigen Zweck. Das eingenommene Geld behielt sie entweder selbst oder leitete es an den Kleingartenverein ihres Vaters weiter.
Das Landgericht Leipzig sah in ihrem Verhalten eine schwere Verletzung der Dienstpflichten und verhängte 380 Tagessätze zu je 45 Euro. Zudem soll ein Betrag von knapp 3900 Euro, der aus dem Verkauf stammt, eingezogen werden. Obwohl sowohl die Angeklagte als auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Revision einlegten, änderte der BGH nur geringfügig am Urteil – die Strafe blieb unangetastet.
Der Skandal wurde unter dem Namen „Fahrradgate“ bekannt und beschäftigte seit 2019 die Öffentlichkeit. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden leitete in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen rund 200 Personen ein – die meisten Verfahren gegen mutmaßliche Erwerber wurden jedoch wegen Geringfügigkeit eingestellt oder gegen Geldauflagen beendet.
OZD
OZD-Kommentar
Ein Skandal, der nach Fahrradkeller riecht, ist in Wirklichkeit ein viel größeres Problem: Der moralische Zerfall dort, wo das Vertrauen der Bürger in den Staat beginnt – bei der Polizei. Die Leipziger Polizistin, die Räder wie auf einem Basar an Kollegen verscherbelte, ist kein Einzelfall, sondern das Symptom eines Systems, in dem Kontrolle und Transparenz versagt haben.
Wer beschlagnahmte Gegenstände aus einer Asservatenstelle gegen Bargeld weiterreicht – und das über Jahre hinweg –, handelt nicht aus Fahrlässigkeit, sondern aus Vorsatz. Dass selbst Spendennachweise als Alibi für illegale Geschäfte genutzt wurden, offenbart die Kaltschnäuzigkeit, mit der hier öffentliche Aufgaben in persönliche Vorteile umgewandelt wurden.
Dass sich über 189 Polizisten und Bekannte unter den Käufern finden, unterstreicht die Tragweite: Die Radfahrer dieses Korruptionsskandals waren keine Zufallszeugen, sondern Mittäter – bewusst oder billigend. Der BGH hat nun Klarheit geschaffen. Doch der Schaden für das Vertrauen in den Rechtsstaat bleibt. Und die Frage, wie viele "Fahrradgates" es anderswo noch geben könnte, bleibt beunruhigend offen.
OZD-Analyse
1. Der Fall im Überblick
a) Zeitraum: 2014 bis 2018
– 72 verkaufte Fahrräder aus der Asservatenstelle Leipzig
– Käufer: vorwiegend Kollegen und Bekannte
b) Einnahmen:
– Etwa 3900 Euro eingenommen
– Teilweise weitergeleitet an den Kleingartenverein des Vaters
2. Strafrechtliche Bewertung
a) Tatbestände:
– Untreue
– Bestechlichkeit
– Verwahrungsbruch im Amt
b) Urteil des Landgerichts Leipzig:
– 380 Tagessätze zu 45 Euro = 17.100 Euro Geldstrafe
– Einziehung der Einnahmen
3. Revision und Bestätigung durch den BGH
a) Revisionsanträge:
– Angeklagte und Generalstaatsanwaltschaft legten Revision ein
b) Entscheidung des BGH:
– Geringfügige Änderungen
– Keine Auswirkung auf die Geldstrafe
– Urteil rechtskräftig
4. Weitere Ermittlungen im „Fahrradgate“
– Ermittlungen gegen rund 200 Personen
– In 189 Fällen: Verfahren eingestellt oder gegen Auflagen beendet
– Öffentlich bekannt seit 2020
Was ist Verwahrungsbruch im Amt?
Verwahrungsbruch im Amt bezeichnet die strafbare Handlung eines Amtsträgers, der ihm dienstlich anvertraute Gegenstände unrechtmäßig verwendet oder weitergibt. Es handelt sich dabei um eine spezielle Form der Veruntreuung, die das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung beschädigt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.