Der Name Le Pen steht in Frankreich längst nicht nur für eine rechtsextreme Politlinie, sondern auch für ein über Jahrzehnte gewachsenes dynastisches Netzwerk – und zunehmend für handfeste juristische Affären. Mit der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union, dass die Familie Le Pen 300.000 Euro an das Europaparlament zurückzahlen muss, wird eine weitere Etappe dieses unrühmlichen Kapitels sichtbar. Der Fall reiht sich ein in eine lange Liste finanzieller Unregelmäßigkeiten, die nicht nur das Vertrauen in bestimmte Politiker, sondern auch in die europäischen Institutionen beschädigen – gerade, weil die Täuschung innerhalb eben jener Institution stattfand.
Dass Jean-Marie Le Pen, der einstige Gründer des Front National, Verwaltungskosten des EU-Parlaments offenbar systematisch zweckentfremdete – für Krawatten, Regenschirme, Virtual-Reality-Brillen, Fitnessarmbänder und 129 Flaschen Wein – ist nicht nur ein skurriler Detailreichtum, sondern zeigt: Hier wurde die Finanzierung demokratischer Arbeit zur privaten oder parteinahen Selbstbedienung umgewidmet.
Besonders pikant: Verwaltungsgelder, die ausdrücklich nicht für Wahlkampf verwendet werden dürfen, flossen offenbar genau dort hin – ganz im Stil jener Machtpolitik, die auf Populismus setzt, aber hinter den Kulissen auf leisen Siphon läuft.
Dass die Klage gegen die Rückforderung nun endgültig abgewiesen wurde – trotz Weiterführung durch Tochter Marine Le Pen, die sich ohnehin selbst mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert sieht –, spricht eine klare Sprache: Der EU geht es hier nicht um Symbolik, sondern um Rechtstaatlichkeit. In einer Zeit, in der populistische Parteien die Legitimität der EU infrage stellen, ist es ein überfälliges Zeichen, dass auch hochrangige Namen zur Verantwortung gezogen werden.
Marine Le Pens eigenes Verfahren, das sie wegen Veruntreuung von Parlamentsgeldern zu vier Jahren Haft (zwei auf Bewährung) und fünf Jahren Nichtwählbarkeit verurteilte, ist da nur der nächste Paukenschlag. Sollte das Berufungsverfahren nicht überraschend ausgehen, wäre ihr geplanter Antritt zur Präsidentschaftswahl 2027 Geschichte. Das wäre politisch folgenreich – und für viele Demokratinnen und Demokraten wohl ein Aufatmen.
Aber es zeigt auch: Die Le-Pen-Dynastie hat sich jahrelang ein System geschaffen, das von nationalistischen Phrasen lebt – und von europäischem Geld. Der größte Zynismus daran: Ausgerechnet die Institution, deren Legitimität man ablehnt, wurde für persönliche oder parteiliche Zwecke ausgebeutet.
Für die EU bleibt der Fall Le Pen auch eine Selbstvergewisserung. Sie muss beweisen, dass sie Fehlverhalten nicht nur entdeckt, sondern auch sanktioniert – unabhängig vom Namen, unabhängig vom politischen Lager. Und für Frankreich ist der Fall mehr als eine juristische Fußnote: Er ist ein Spiegel der Gefahren, die entstehen, wenn politische Radikalisierung und institutionelle Verantwortungslosigkeit Hand in Hand gehen.
OZD
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Bild: dpa / EU-Parlament / AFP