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Selenskyjs Regierungsumbildung – ein Machtzug mit doppelter Signalwirkung (Kommentar)

Inmitten des anhaltenden Krieges ordnet Präsident Selenskyj seine Regierung neu. Mit der Ernennung von Julia Swyrydenko ...

...  zur Premierministerin und dem Umbau an der Spitze von Verteidigung und Außenbeziehungen will er Kiews Kurs gegenüber Washington klar nachschärfen – und zugleich interne Probleme angehen.

Die Entlassung von Ministerpräsident Denys Schmyhal und die Ernennung von Julia Swyrydenko zur neuen Regierungschefin markieren mehr als nur eine Personalrochade. Selenskyj nutzt die Gelegenheit zur politischen Justierung – innen wie außen. Während die Frontlinien des Krieges weitgehend stagnieren, rückt die Diplomatie stärker in den Mittelpunkt. Und mit ihr die Frage, wer Kiews strategische Interessen gegenüber dem Westen am effektivsten vertreten kann.

Swyrydenko, 39 Jahre alt, Ökonomin und bisher Wirtschaftsministerin, gilt als pragmatisch, international gut vernetzt und – wichtig – als loyal gegenüber Selenskyj. Ihre Bekanntheit stieg vor allem im Kontext der Verhandlungen über ein millionenschweres Rohstoffabkommen mit den USA. Die Botschaft: Kiew will (und muss) die wirtschaftliche Integration mit dem Westen beschleunigen.

Noch deutlicher wird der Kurswechsel mit dem Wechsel Schmyhals ins Verteidigungsministerium. Der bisherige Regierungschef übernimmt ein Ressort, das zuletzt von Rustem Umerow geführt wurde – einem Mann, dem zwar viel Kompetenz, aber auch mangelnder Draht zu den Militärs nachgesagt wurde. Umerow wird nun neuer Botschafter in Washington – ein klarer Fingerzeig: Der Draht zur Biden-Administration hat für Kiew oberste Priorität.

Selenskyj selbst sprach von einer „positiveren Dynamik“ in den Beziehungen zu den USA. Zwischen den Zeilen ist das ein Eingeständnis, dass es an entscheidenden Stellen zuletzt geknirscht hat – sei es wegen bürokratischer Reibung, unterschiedlicher Erwartungen bei der militärischen Hilfe oder der Verzögerung von Waffenlieferungen im US-Kongress. Mit dem Umbau will Selenskyj Vertrauen zurückgewinnen – und Handlungsfähigkeit beweisen.

Die Personalentscheidung ist auch innenpolitisch nicht risikofrei. Swyrydenko muss nicht nur Kriegswirtschaft managen, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen stärken – ein Kraftakt in einem Land, in dem Korruption nach wie vor ein massives Problem ist und der Alltag von Krieg, Flucht und Notstand geprägt bleibt.

Fazit: Diese Umbildung ist keine Flucht nach vorn, sondern ein kalkulierter Schritt, mit dem Selenskyj die politische Architektur an die strategischen Erfordernisse des Krieges und der Diplomatie anpasst. Dass er dabei enge Vertraute auf Schlüsselposten setzt, zeigt zugleich: Der Präsident zieht die Zügel enger – und will zentrale Prozesse stärker kontrollieren. Ob das genügt, um internationale Hilfe zu sichern und innenpolitisch Stabilität zu wahren, bleibt abzuwarten.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: Präsidentenkanzlei Ukraine / via dpa