Klassenchats sind längst fester Bestandteil des Schulalltags geworden – und dabei weit mehr als nur ein digitales Notizbuch. Laut einer aktuellen Umfrage des Digitalbranchenverbands Bitkom haben 84 Prozent der Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen eine Chatgruppe mit ihrer Klasse oder dem gesamten Jahrgang. In diesen Gruppen geht es überwiegend um schulorganisatorische Fragen wie Hausaufgaben oder Informationen zum Unterrichtsausfall, aber auch um private Verabredungen, politische Diskussionen und nicht zuletzt um das Teilen lustiger Inhalte.
93 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, den Chat für organisatorische Zwecke wie kurzfristige Informationen zu nutzen. Ebenso viele diskutieren darin regelmäßig über Hausaufgaben. 80 Prozent tauschen sich über private Themen wie Verabredungen oder Hobbys aus.
Doch die Kehrseite bleibt nicht verborgen: 41 Prozent der Befragten zwischen 14 und 19 Jahren haben nach eigenen Angaben schon erlebt, wie Lehrerinnen und Lehrer im Klassenchat gezielt beleidigt oder verspottet wurden.
Knapp 70 Prozent der Jugendlichen posten regelmäßig humorvolle oder unterhaltende Inhalte. Bei 30 Prozent ist der Klassenchat auch ein Ort für politische Debatten. Angesichts dieser Zahlen warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder vor den Risiken: "Klassenchats helfen Jugendlichen, ihren Schulalltag eigenständig zu organisieren, sind inzwischen aber auch eine Plattform für den privaten Austausch."
Mit Blick auf die politischen Inhalte und die Gefahr von Desinformation in digitalen Räumen forderte Rohleder, Digitalkompetenz und Medienbildung fest in den Schulalltag zu integrieren. "Sie gehören auf jeden Stundenplan", sagte er in Berlin.
Die Umfrage wurde im Auftrag von Bitkom unter 502 Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren durchgeführt.
OZD
OZD-Kommentar
Was als praktisches Werkzeug zur Selbstorganisation gedacht war, ist längst ein Spiegel unserer Gesellschaft – mit allen Chancen und Schattenseiten. Klassenchats ermöglichen Jugendlichen, sich schnell zu organisieren, helfen bei Hausaufgaben und fördern soziale Bindung. Doch sie sind auch Schauplätze von Grenzüberschreitungen, Mobbing und unreflektiertem Umgang mit Informationen geworden.
Die Zahlen der Bitkom-Umfrage sprechen eine klare Sprache: Fast jeder zweite Jugendliche hat bereits mitbekommen, wie Lehrkräfte verspottet oder beleidigt wurden – und das in einem schulischen Raum, der eigentlich von Respekt geprägt sein sollte. Was früher auf dem Pausenhof gemurmelt wurde, wird heute öffentlich und dauerhaft digital gespeichert.
Wenn 30 Prozent der Jugendlichen politische Inhalte teilen, ohne zu wissen, wie man Fake News erkennt oder Debatten respektvoll führt, ist das ein Alarmsignal. Es reicht nicht, Medienbildung auf ein paar Projekte im Schuljahr zu beschränken. Digitale Kommunikation ist der Alltag – und auf diesen Alltag müssen Schulen endlich systematisch vorbereiten.
„Ein Klassenchat ist super praktisch – aber manchmal läuft’s echt aus dem Ruder.“ Anton
„Lehrer im Chat zu beleidigen geht gar nicht. Da fehlt eindeutig die Medienerziehung!“ Cheme
„Warum lernen wir keine digitale Etikette in der Schule? Das wäre wirklich mal sinnvoll.“ roland
Was ist der Bitkom?
Der Digitalverband Bitkom ist der größte deutsche Branchenverband der Informations- und Telekommunikationsbranche. Mit Sitz in Berlin vertritt Bitkom mehr als 2.700 Unternehmen, darunter Start-ups, Mittelständler und globale Konzerne. Bitkom engagiert sich für digitale Bildung, Cybersicherheit, neue Technologien und den Ausbau digitaler Infrastrukturen.
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