Es ist ein symbolträchtiger Moment in den Beziehungen zweier europäischer Schwergewichte: Großbritannien und Deutschland wollen künftig enger denn je zusammenarbeiten – und besiegeln dies mit einem neuen Freundschaftsvertrag. Premierminister Keir Starmer sprach am Vorabend der Unterzeichnung in London von einem „historischen Abkommen, das unsere beiden Länder näher zusammenbringt als je zuvor“.
Der Vertrag, der am Donnerstagmittag bei Bundeskanzler Friedrich Merz’ Antrittsbesuch in London unterzeichnet werden soll, ist der erste seiner Art zwischen den beiden Staaten. Im Mittelpunkt steht eine verstärkte Kooperation in den Bereichen Verteidigung, Migration und Handel – Felder, auf denen London und Berlin seit dem Brexit einen Neustart wagen wollen.
Besonders im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik versprechen sich beide Seiten Fortschritte. Aufbauend auf der sogenannten Trinity-House-Vereinbarung vom Oktober 2024 soll nun die militärische Zusammenarbeit ausgebaut werden – auch im Hinblick auf Rüstungsprojekte und die strategische Abschreckung innerhalb der NATO.
Ein weiteres zentrales Thema: die gemeinsame Bekämpfung illegaler Migration. Beide Regierungen wollen laut britischen Angaben neue Abkommen zur Kontrolle von Fluchtrouten und zur schnelleren Rückführung von Migranten abschließen.
Auch wirtschaftlich will man enger kooperieren. Die britische Regierung kündigte bereits Investitionen deutscher Unternehmen in Höhe von über 200 Millionen Pfund (230,6 Millionen Euro) an. Diese sollen mehr als 600 Arbeitsplätze in Großbritannien schaffen. Gleichzeitig soll der bilaterale Handel vereinfacht und intensiviert werden.
Friedrich Merz, seit Mai neuer Bundeskanzler, reist zum ersten Mal seit seiner Amtsübernahme nach Großbritannien und wird von Außenminister Johann Wadephul begleitet. Die Unterzeichnung des Vertrags ist für 12.00 Uhr Ortszeit in London (13.00 Uhr MESZ) angesetzt. Für beide Seiten gilt: Der Vertrag ist mehr als ein symbolischer Akt – er markiert den Beginn einer Phase der strategischen Neuausrichtung nach Jahren des politischen Stillstands.
OZD
OZD-Kommentar
Dieser Vertrag ist mehr als eine diplomatische Formalität – er ist eine überfällige Kurskorrektur nach dem Brexit. Deutschland und Großbritannien hatten sich lange Zeit auf Parallelkurs bewegt, jetzt soll die strategische Annäherung folgen. Doch bei allem Optimismus: Die Stolpersteine bleiben.
Die angekündigte Rüstungskooperation ist ebenso ehrgeizig wie kompliziert – bisher scheiterten ähnliche Vorhaben oft an Bürokratie und unterschiedlichen industriellen Interessen. Und beim Thema Migration ist der Schulterschluss kaum mehr als ein politisches Signal: zu viele innenpolitische Hürden, zu wenig gemeinsame Linie.
Der wirtschaftliche Teil des Abkommens klingt zunächst vielversprechend – doch 600 neue Jobs und 230 Millionen Euro sind kein Durchbruch, sondern ein Anfang. Für einen echten Neustart braucht es mehr als freundliche Gesten. Der Vertrag ist wichtig – aber er wird sich erst beweisen müssen.
Lesermeinungen:
„Ein starkes Zeichen für Europa – auch ohne EU-Mitgliedschaft!“
„Was soll ein Vertrag bringen, wenn Migration und Handelspolitik trotzdem blockiert bleiben?“
„Endlich wieder echte Zusammenarbeit mit Großbritannien – wurde Zeit nach dem Brexit-Chaos.“
Was ist die Trinity-House-Vereinbarung?
Die Trinity-House-Vereinbarung ist ein bilaterales sicherheitspolitisches Rahmenabkommen zwischen Deutschland und Großbritannien, das im Oktober 2024 in London unterzeichnet wurde. Es sieht eine engere Zusammenarbeit in Verteidigung, Cyberabwehr und Rüstungsforschung vor und dient als Grundlage für künftige militärische Kooperationsprojekte beider Länder.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.