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Der unglaubliche 1-Billion-Euro-Finanzplan

Die Bundesregierung hat ihren Finanzplan bis 2029 verabschiedet – im Einklang mit den EU-Vorgaben. Trotz 1.000 Milliarden Euro neuer Kredite sieht sich Berlin auf Wachstumskurs. Kritik aus der Wirtschaft folgt prompt.

Mit einem Beschluss im Bundeskabinett und einer stillschweigenden Einigung mit der EU-Kommission hat die Bundesregierung am Mittwoch ihren milliardenschweren Finanzplan bis 2029 auf den Weg gebracht. Wie das Bundesfinanzministerium mitteilte, wurde das Gesamtpaket „in sehr konstruktiven Gesprächen mit der EU-Kommission“ abgestimmt – ein seltener Schulterschluss zwischen Brüssel und Berlin angesichts der gewaltigen Staatsverschuldung, die dem Plan zugrunde liegt.

Zentral ist dabei der sogenannte Nettoausgabenpfad: Er beschreibt, wie stark die gesamtstaatlichen Ausgaben in den kommenden Jahren maximal steigen dürfen – und soll sicherstellen, dass Deutschland trotz massiver Neuverschuldung die Vorgaben des reformierten EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts einhält.

Ein wesentlicher Knackpunkt war die geplante Aufnahme neuer Schulden in Höhe von rund einer Billion Euro – aufgeteilt in über 500 Milliarden Euro im Kernhaushalt sowie weitere 500 Milliarden Euro über ein kreditfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität. Verteidigungsausgaben werden auf Grundlage einer EU-Sonderregelung dabei nicht mitgerechnet – diese Ausnahmeklausel läuft allerdings 2028 aus.

Vizeregierungssprecher Steffen Meyer sprach in Berlin von einem „ganz wichtigen Meilenstein“ und lobte das „kraftvolle Signal“ für nachhaltiges Wachstum. Die Bundesregierung halte an ihrem Dreiklang aus Investitionen, Strukturreformen und Konsolidierung fest.

Brüssel signalisierte Zustimmung, doch aus der Wissenschaft kommt Gegenwind. „Deutschland biegt sich die Anwendung der EU-Regeln zurecht“, kritisierte Jeromin Zettelmeyer von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Der Freiburger Ökonom Lars Feld warnte, das deutsche Modell könne andere EU-Staaten demotivieren, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen.

Der Finanzplan, der zunächst nur in Eckpunkten öffentlich ist, geht laut Medienberichten von einer Verdopplung des Potenzialwachstums von derzeit 0,5 auf 0,9 Prozent bis 2029 aus. Die EU-Kommission habe die Prognosen ebenso anerkannt wie die Trennung von Sonderausgaben – ein Schritt, den viele in Brüssel mit Argwohn beobachten.

OZD



OZD-Kommentar
Was als „kraftvolles Signal“ gefeiert wird, ist in Wahrheit eine riskante Gratwanderung. Die Bundesregierung verpackt eine historische Neuverschuldung in einen EU-konformen Anstrich – mit Brüssels stillschweigendem Einverständnis. Doch das Label „vereinbar mit den Fiskalregeln“ wird zur Farce, wenn Sondervermögen und Verteidigungsetats einfach aus der Rechnung verschwinden.

Deutschland, einst Mahner für finanzielle Disziplin, wird jetzt zum kreativen Bilanzierer. Wer Schulden macht, um Investitionen zu finanzieren, kann das ökonomisch begründen – aber er sollte es auch politisch ehrlich benennen. Stattdessen wird mit Euphemismen hantiert, während Milliarden in Sondertöpfen verschwinden, die keine Haushaltstransparenz bieten.

Noch gefährlicher ist das politische Signal an die EU-Partner: Wenn Deutschland sich Regeln zurechtbiegt, warum sollten Italien, Frankreich oder Spanien anders handeln? Die ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts wird so weiter erodiert.



Lesermeinungen

„Der Staat spart sich gesund? Das ist doch eine Luftnummer! Wer soll das am Ende bezahlen?“ Dan N. 
„Endlich wird investiert! Schulen, Schienen, Stromnetze – das ist längst überfällig.“ Heiliger Johannes 
„Was bringt mir Wachstum, wenn dafür die Schulden explodieren und meine Kinder das ausbaden?“ Eric Schöne


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Was ist der EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt?
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein Regelwerk der Europäischen Union zur Sicherung solider Haushaltsführung. Er verpflichtet die EU-Staaten dazu, bestimmte Obergrenzen für Defizite (maximal 3 % des BIP) und Schuldenstände (maximal 60 % des BIP) einzuhalten. Nach der Corona-Pandemie wurde der Pakt reformiert: Nun liegt der Fokus stärker auf nachhaltiger Schuldentragfähigkeit und einem sogenannten „Nettoausgabenpfad“, der das Wachstum der Ausgaben begrenzt. Ausnahmen – etwa für Verteidigung oder Sondervermögen – sind unter bestimmten Bedingungen möglich, sorgen aber für Kritik.

Der EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) ist ein Regelwerk der Europäischen Union, das sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten eine solide Haushaltspolitik betreiben. Er wurde 1997 eingeführt und mehrfach reformiert, zuletzt im April 2024.

Die Zielsetzung

Der Pakt verfolgt zwei Hauptziele:

Haushaltsdisziplin: Vermeidung übermäßiger Staatsverschuldung.Wirtschaftliche Stabilität: Schutz des Euro und der Währungsunion vor finanzpolitischen Risiken. Zentrale Regeln

Die wichtigsten Vorgaben lauten:

Das Haushaltsdefizit eines Mitgliedstaats darf maximal 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen.Die Staatsverschuldung soll unter 60 % des BIP liegen. Zwei Komponenten

Präventiver Arm:

Mitgliedstaaten müssen jährlich Stabilitätsprogramme vorlegen.Ziel: strukturell ausgeglichene Haushalte.Bei Abweichungen kann die EU-Kommission Frühwarnungen aussprechen.

Korrektiver Arm:

Wird aktiviert bei übermäßigem Defizit.Die EU kann ein Defizitverfahren einleiten.Sanktionen sind möglich, z. B. Geldstrafen oder Einlagen. Reformen und aktuelle Entwicklungen Seit 2024 müssen Länder finanzpolitisch-strukturelle Pläne vorlegen, die einen sogenannten Nettoausgabenpfad enthalten – also eine Obergrenze für das Wachstum der Staatsausgaben.Es gibt Flexibilitätsklauseln, etwa für Verteidigungsausgaben, die nicht auf das Defizit angerechnet werden.Die Reformen sollen Investitionen, Strukturreformen und Konsolidierung besser miteinander verbinden.

Wenn du möchtest, kann ich dir auch erklären, wie das Defizitverfahren konkret abläuft oder wie einzelne Länder – etwa Deutschland oder Österreich – mit dem Pakt umgehen.


Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.


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