Die Richterwahl am Bundesverfassungsgericht ist vertagt – und Bundeskanzler Friedrich Merz nimmt die Aufregung mit demonstrativer Gelassenheit. Im ARD-Sommerinterview sprach der CDU-Politiker am Sonntagabend von „keinem Zeitdruck“ und einem „wirklich nicht dramatischen“ Vorgang. Die verschobene Abstimmung sei kein politisches Versagen, sondern Ausdruck eines funktionierenden demokratischen Verfahrens.
Gleichzeitig räumte Merz ein, dass der Widerstand gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf in der eigenen Fraktion früher hätte erkannt werden können. Dass daraus nun politische Kritik erwächst, kontert der Kanzler mit einem betont ruhigen Ton – und verweist auf geplante Gespräche mit der SPD. Ein Durchbruch wird also nicht mit der Brechstange, sondern mit kühlem Kopf gesucht.
Auffällig ist, dass Merz seinen Fraktionschef Jens Spahn demonstrativ in Schutz nimmt. Dass der Protest aus der Unionsfraktion gegen die SPD-Kandidatin so vehement ausfiel, sei „nicht absehbar“ gewesen. Hier scheint Merz um Geschlossenheit in der eigenen Partei bemüht – auch um mögliche personelle Debatten vor der Sommerpause kleinzuhalten.
Wichtiger scheint Merz der Hinweis, dass Schwarz-Rot in Berlin ansonsten „alles durchbekommen“ habe, was geplant war. Die verschobene Richterwahl will man im Herbst „nachholen“. Die Botschaft dahinter: Sacharbeit vor Symbolpolitik.
Doch klar ist auch: Die Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern ist keine Randfrage. Sie ist ein sensibler politischer Vorgang, bei dem Vertrauen und Konsens zwischen den Fraktionen entscheidend sind. Dass dieses Vertrauen zuletzt nicht vollständig vorhanden war, ist eine Mahnung – auch an die Selbstorganisation der Koalition.
OZD
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