Die Wellen um den spektakulären Wechsel von Florian Wirtz schlagen weiter hohe Wellen – und diesmal bekommt der FC Bayern die volle Breitseite. Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro hat das öffentliche Werben des deutschen Rekordmeisters um den deutschen Nationalspieler ungewöhnlich deutlich kritisiert. „So etwas gehört sich eigentlich nicht“, sagte Carro im Interview mit der Welt am Sonntag. Besonders die aggressive Außendarstellung der Münchner sei ihm negativ aufgefallen: „Mich hat es mehr gewundert als gestört, dass sie öffentlich so aggressiv waren. Aber ich glaube, dass es gegenüber Florian und seinen Eltern nicht geholfen hat.“
Während sich der 22-Jährige letztlich für einen Wechsel zum FC Liverpool entschied, wirft Carro den Münchnern vor, kaum den professionellen Austausch auf Klubebene gesucht zu haben. Zwar habe sich im Frühjahr Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen gemeldet und angekündigt, dass man mit Rummenigge über Wirtz sprechen wolle – doch Carro habe sofort klargemacht: „Wir haben kein Interesse, unseren besten Spieler nach München zu verkaufen.“
Danach sei das Thema für Leverkusen erledigt gewesen. Doch offenbar rechneten die Bayern intern fest mit einem Zuschlag, wie Carro vermutet: „Die Bayern waren anscheinend überzeugt, dass sich Florian für sie entscheiden würde. Ich habe ihnen gesagt: Wir haben da andere Informationen.“
Wirtz' Wechsel nach Liverpool bringt Leverkusen bis zu 150 Millionen Euro ein – eine neue Rekordsumme für den Verein. Dennoch sagte Carro offen: „Der Abschied schmerzt immer noch, aber man gewöhnt sich dran.“ Und eine Spitze gegen die Bayern konnte sich der 60-Jährige zum Schluss nicht verkneifen: „Dann wären die Bayern noch stärker gewesen. Ich will eine spannende Bundesliga. Ich freue mich, wenn mehr Vereine – außer uns – den Bayern das Leben schwer machen.“
OZD
OZD-Kommentar
Bayern München wollte einmal mehr den deutschen Fußball dominieren – doch das Verhalten im Fall Wirtz offenbart, wie fragil selbst die Aura des Rekordmeisters geworden ist. Fernando Carros Kritik ist ein seltener Moment der Klarheit im oft vernebelten Transferzirkus: München, gewohnt an Selbstverständlichkeit und Strahlkraft, hat mit Lautstärke statt Klasse agiert – und verloren.
Dass die Münchner ausgerechnet bei einem nationalen Ausnahmespieler wie Wirtz ins Leere laufen, hat Signalwirkung. Dass sie dabei öffentlich drängelten, ohne intern ernsthafte Gespräche zu führen, ist mehr als nur unprofessionell – es wirkt überheblich. Der FC Bayern wollte offenbar mit Prestige punkten – aber ignorierte den Respekt gegenüber dem abgebenden Klub.
Dass Wirtz nach Liverpool ging, könnte sich als sportlicher wie imagepolitischer Tiefschlag für die Bayern entpuppen. Die Zeiten, in denen sich deutsche Topstars automatisch für München entschieden, scheinen vorbei. Und das tut der Bundesliga gut. Wenn Carro sagt, er freue sich über Konkurrenz für die Bayern, spricht daraus nicht Häme – sondern die Hoffnung auf ein spannenderes, ehrlicheres Fußballgeschäft.
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Lesermeinungen:
„Endlich sagt es mal einer! Bayern denkt, sie kriegen jeden Spieler einfach so.“ SO
„Wirtz zu Liverpool ist das Beste, was der Bundesliga passieren konnte.“ Bleibel, a.
„Leverkusen zeigt, dass man Haltung haben kann – auch bei 150 Mio. Euro.“ Goldfinger
Wer ist Fernando Carro?
Fernando Carro ist seit 2018 Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen. Der gebürtige Spanier gilt als analytischer Stratege mit wirtschaftlichem Fokus. Unter seiner Führung etablierte sich Leverkusen als Champions-League-Stammgast und holte 2024 erstmals die deutsche Meisterschaft. Carro ist für klare Worte und einen professionellen Führungsstil bekannt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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