Ein 71-jähriger Mann verliert fast vollständig sein Augenlicht – trotz Operation wegen Grauen Stars. Erst ein MRT bringt die schockierende Wahrheit ans Licht: Ein Hypophysenadenom drückte auf seinen Sehnerv. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, Sehprobleme ganzheitlich zu untersuchen – und nicht nur auf das Auge zu fokussieren.
Ein Hirntumor, der als Grauer Star verkannt wurde
Als Andreas Wilke (Name geändert) erste Sehstörungen bemerkte, schien die Diagnose eindeutig: Grauer Star. Doch trotz Operation im Jahr 2016 verbesserte sich seine Sicht kaum – im Gegenteil, sie verschlechterte sich weiter. Hinzu kamen Antriebslosigkeit und Energielosigkeit, die sich nicht durch eine Augenkrankheit allein erklären ließen.
Erst zwei Jahre später brachte eine MRT-Untersuchung im Clemenshospital Klarheit: Ein vier Zentimeter großer Tumor, ein sogenanntes Hypophysenadenom, drückte von unten gegen den Sehnerv und verursachte die Beschwerden. Die Chefärztin der Neurochirurgie, Prof. Dr. Uta Schick, erklärt: „Leider erleben wir es oft, dass bei Sehstörungen nur das Auge untersucht wird – dabei können auch Tumoren im Gehirn verantwortlich sein.“
Fatale Fehldiagnose trotz bekannter Vorerkrankung
Obwohl der Tumor in einer komplizierten Operation weitgehend entfernt wurde, blieben kleine Reste zurück – aus Rücksicht auf die sensiblen Strukturen am Sehnerv. Nach zunächst unauffälligen Nachkontrollen kehrten die Sehstörungen 2023 wieder zurück. Wilke, inzwischen nahezu erblindet, suchte erneut ärztlichen Rat – diesmal jedoch wieder ausschließlich bei Augenärzten.
Die Folge: eine Reihe falscher Diagnosen wie Grauer Star, Netzhautriss und Grüner Star. Erst ein Spezialist des Augenzentrums Münster veranlasste ein erneutes MRT – mit erschütterndem Ergebnis: Der Tumor war erneut gewachsen und hatte den Sehnerv stark geschädigt.
Erfolg trotz Risiko: Zweite Operation bringt Licht zurück
Eine weitere Operation war notwendig – diesmal über einen seitlichen Zugang am Kopf, da der ursprüngliche Weg nicht mehr nutzbar war. Das Ergebnis überraschte selbst die Ärztin: „Als ich aus der Narkose aufwachte, konnte ich das Gesicht des Arztes erkennen – das war vorher undenkbar“, berichtet Wilke erfreut.
Prof. Dr. Schick warnt eindringlich: „Augenärzte müssen bei Sehverlust auch an Tumorerkrankungen denken. Und Patientinnen und Patienten sollten konsequent zu Kontrolluntersuchungen gehen – nur so lässt sich ein Rückfall frühzeitig erkennen.“
Erklärungen:
Hypophysenadenom: Gutartiger Tumor an der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), der durch Druck auf den Sehnerv Sehprobleme verursachen kann.
Grauer Star (Katarakt): Eine Trübung der Augenlinse, die häufig operativ behandelt wird.
Grüner Star (Glaukom): Eine Erkrankung, bei der der Sehnerv durch erhöhten Augeninnendruck geschädigt wird.
Netzhautriss: Ein Riss in der Netzhaut, der unbehandelt zu einer Netzhautablösung führen kann.
OZD
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Bild: Alexianer