Analyse und Kommentar
Der Druck hat gewirkt. Die Europäische Union und die USA haben ein Handelsabkommen verkündet – pünktlich vor Ablauf des von Donald Trump gesetzten Ultimatums. Statt 30 Prozent Zölle auf EU-Waren sollen es nun 15 Prozent werden. Ein Erfolg? Das kommt ganz auf die Perspektive an.
Trump inszeniert sich gewohnt offensiv: „Es ist ein gutes Abkommen für alle“, sagt er – wie üblich in Superlativen. Der Ort der Verkündung ist erneut sein privates Golf-Resort in Turnberry, Schottland. Wieder einmal nutzt der US-Präsident ein diplomatisches Großereignis für persönliche PR – und niemand widerspricht ihm. Auch Ursula von der Leyen spricht von einem „riesigen“ Abkommen, fast wortgleich. Der Gleichklang der Rhetorik ist auffällig – und irritierend.
Denn Fakt ist: Dieses Abkommen wurde nicht auf Augenhöhe ausgehandelt, sondern unter direktem Zwang. Bis zuletzt hatte Trump mit Strafzöllen von 30 Prozent gedroht. Diese wären am 1. August in Kraft getreten. Das Verhandlungsspiel war kein Dialog, sondern ein Ultimatum. Dass sich die EU auf dieser Grundlage zu einem Deal bereitfand, wirft Fragen auf: War das wirklich ein Sieg der Diplomatie – oder schlichtweg ein Eingeständnis von Ohnmacht?
15 Prozent Zölle bleiben hoch – auch wenn sie niedriger sind als das Damoklesschwert von 30. Wer sich fragt, ob ein Handelsabkommen auf Basis offener Erpressung nachhaltige Wirkung entfalten kann, wird skeptisch zurückbleiben. Besonders bitter: Die EU-Kommission hatte das Ziel, die transatlantischen Handelsströme im Volumen von 1,9 Billionen US-Dollar zu sichern – nun tut sie das, indem sie strukturelle Ungleichgewichte hinnimmt. Details über etwaige Gegenleistungen wie LNG-Importe, Industriekontingente oder Investitionszusagen bleiben im Dunkeln.
Die Symbolik dieses Abkommens ist bedenklich: Nicht nur wurde es im privaten Rahmen des US-Präsidenten beschlossen – auch die Deutungshoheit liegt allein bei ihm. Von einem europäischen Selbstbewusstsein ist in den Verlautbarungen wenig zu spüren. Die EU wirkte zuletzt wie ein Spieler ohne echte Karten – und das in einem Spiel, das sie selbst mitgestalten müsste.
Der vermeintliche Erfolg könnte sich also als langfristiger Preis erweisen. Wer sich einmal unter Druck beugt, bleibt erpressbar. Wer ein Abkommen ohne parlamentarische Debatte und demokratische Rückbindung durchdrückt, riskiert seine Glaubwürdigkeit. Und wer dabei die Sprache des Druckausübenden übernimmt – „ein gutes Abkommen“, „ein riesiger Deal“ – verliert schnell den eigenen Ton.
Was bleibt, ist der Eindruck einer Einigung, die weniger auf Kompromiss als auf Erpressung basiert – und ein diplomatischer Sieg, der in Wahrheit eine strategische Niederlage sein könnte.
OZD
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Bild: AFP