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Königinnen mit Nerven aus Stahl: Englands Fußballerinnen krönen sich erneut zur Europameisterin (Kommentar)

England ist wieder Europameister – in einem dramatischen Finale setzen sich die „Comeback-Queens“ im Elfmeterschießen gegen Spanien durch. Es ist ein Triumph der Nervenstärke, des Teamgeists und einer Trainerin, die längst Geschichte geschrieben hat.

Die Lionesses bestätigen: Heldinnen erkennt man nicht an ihrer Überlegenheit – sondern an ihrem unerschütterlichen Glauben.

Es ist ein Moment, der bleibt: Chloe Kelly schreitet zum Elfmeterpunkt – und verwandelt mit kühler Präzision. Sekunden später: Tränen, Umarmungen, ausgelassene Jubelstürme. England ist zum zweiten Mal in Folge Europameister. Und was für ein Weg dorthin! Wer diese „Lionesses“ beobachtet hat, konnte nicht anders, als Respekt zu empfinden – für eine Mannschaft, die nicht nur spielt, sondern kämpft, leidet, aufsteht. Und die vor allem: niemals aufgibt.

Gegen Spanien, den Weltmeister, als Außenseiterin ins Finale gestartet, lief auch dieses Mal zunächst wenig zusammen. Der Führungstreffer durch Mariona Caldentey in der 25. Minute war Ausdruck spanischer Dominanz – taktisch diszipliniert, technisch brillant. Doch während andere Teams an dieser Qualität verzweifeln würden, legte England seine wohl größte Stärke an den Tag: die mentale Robustheit.

Dass es wieder Alessia Russo war, die das Spiel kippte, passt zur Dramaturgie dieser EM. Ihr Kopfball zum 1:1 war kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat eines cleveren Moments – eingeleitet von einer punktgenauen Flanke der eingewechselten Chloe Kelly, die abermals als Joker glänzte. Diese Lionesses besitzen ein erstaunliches Gespür für Wendepunkte. Was bei vielen Teams wie taktische Hilflosigkeit wirken würde – das späte Erwachen, das Reagieren statt Agieren – ist bei England ein System geworden. Ein System des Glaubens.

Trainerin Sarina Wiegman ist längst mehr als eine Erfolgsgarantin – sie ist eine Ikone. Fünf große Turnierfinals in Folge, drei Europameistertitel (davon zwei mit England, einer mit den Niederlanden), eine Bilanz, die sie zur erfolgreichsten Trainerin ihrer Generation macht. Ihr Stil: Klar, emotional kontrolliert, taktisch pragmatisch. Keine Show, kein Getöse – aber ein perfekter Instinkt für den Moment.

Und dieser Moment gehörte am Sonntagabend in Basel ganz England. In einem Stadion, in dem 34.000 Fans beider Lager ein friedliches, leidenschaftliches Fußballfest feierten, zeigten die Lionesses in der Verlängerung enorme physische Leidensfähigkeit – und im Elfmeterschießen eiskalte Präzision. Hannah Hampton wuchs dabei über sich hinaus: Zwei gehaltene Elfmeter gegen eine spanische Mannschaft, die bis dahin kaum Schwächen gezeigt hatte, sind keine Selbstverständlichkeit – sondern die Momente, in denen Geschichte geschrieben wird.

Dass Spanien erneut ein Finale verliert – nach dem WM-Triumph 2023 nun die verpasste EM-Krone – ist bitter, aber kein Makel. Die „Furia Roja“ war technisch und strategisch über weite Strecken überlegen, mit Alexia Putellas, Mariona und Battle formten sie eine der besten Achsen des Turniers. Doch der Sport kennt solche Geschichten: Man kann alles richtig machen – und trotzdem verlieren, wenn das Gegenüber zur Schicksalsgemeinschaft wird.

England hat sich diesen Titel nicht erspielt, sondern erkämpft – im besten Sinne. Es war keine perfekte Meisterschaft, kein Durchmarsch, kein Lehrbuchsieg. Aber es war ein Turnier der Haltung. Vom Rückstand im Viertelfinale über das zähe Halbfinale bis zum dramatischen Finale: Diese Mannschaft hat sich ihren Weg durchgebissen. Und das macht sie – nicht nur sportlich, sondern charakterlich – zu verdienten Titelträgerinnen.

England ist zurück auf dem Thron – und vielleicht war es nie wirklich weg.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: SID