Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen
QR-Code zu www.online-zeitung-deutschland.de

Streit um Nordsee-Gas: Juristin erklärt Abkommen für verfassungswidrig

Ein Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace erklärt das deutsch-niederländische Gasförderabkommen vor Borkum für verfassungs- und völkerrechtswidrig. Nun wächst der Protest auf der Nordseeinsel.

Ein geplanter Gasförderdeal zwischen Deutschland und den Niederlanden sorgt für erheblichen Streit. Laut einem von Greenpeace in Auftrag gegebenen Gutachten der Umweltjuristin Roda Verheyen verstößt das Abkommen gegen das Grundgesetz und das Völkerrecht. Insbesondere widerspreche es den Zielen des Pariser Klimaabkommens und dem im Grundgesetz verankerten Klimaschutzgebot, erklärte Verheyen am Donnerstag.

Das niederländische Unternehmen One-Dyas will im Grenzgebiet zur Nordsee Gas fördern. Die Plattform steht zwar auf niederländischem Gebiet, doch die Bohrungen reichen in den deutschen Untergrund hinein. Deshalb brauchte es die Zustimmung aus Deutschland – und die liegt inzwischen vor. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie stimmte am Montag dem Sofortvollzug zu. Bereits Anfang Juli hatte die Bundesregierung den Weg freigemacht, indem sie ein sogenanntes "Unitarisierungsabkommen" mit den Niederlanden beschloss.

Greenpeace spricht von einem "Vertrag über Klima- und Naturzerstörung". Verheyen argumentiert, dass das Abkommen nicht nur dieses eine Projekt ermögliche, sondern unbegrenzt neue Gasfelder im Grenzgebiet erschließen könne – ein klarer Widerspruch zu den Pariser Klimazielen. Auch das Grundgesetz verbiete Handlungen, die irreversible Schäden für Klima und Umwelt verursachen. Zudem sei Niedersachsen nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Ob das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden darf, hängt damit auch von Bundestag und Bundesrat ab, die dem Vertrag noch zustimmen müssen. Verheyen fordert beide Gremien auf, das Projekt zu stoppen, da es sowohl gegen Völker- als auch gegen Verfassungsrecht verstoße.

Der Widerstand wächst auch vor Ort. Auf Borkum haben die Deutsche Umwelthilfe und Fridays for Future ein Klimacamp eröffnet, das bis Sonntag dauern soll. Für Freitag ist ein Klimastreik am Inselbahnhof geplant. Erwartet werden rund 150 Teilnehmer.

OZD



OZD-Kommentar

Dieses Abkommen ist ein politischer und ökologischer Sprengsatz. Während die Bundesregierung Klimaziele betont, legitimiert sie gleichzeitig neue fossile Projekte, die das Pariser Abkommen untergraben. Der Hinweis der Juristin, dass Bundestag und Bundesrat das Vorhaben stoppen können, zeigt: Es gibt noch Spielraum – doch wird er genutzt? Oder siegt wieder der kurzfristige Gedanke an Versorgungssicherheit über langfristige Verantwortung? Der Protest auf Borkum könnte ein Fanal werden. Wenn sich die Politik hier gegen Klima- und Naturschutz entscheidet, wird sie ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielen.



Lesermeinungen

"Endlich sagt es mal jemand klar: Dieses Abkommen ist Verrat an allen Klimaversprechen." – Julia Höller, Bremen
"Wir brauchen Energie, aber nicht um den Preis, unser Wattenmeer zu zerstören." – Markus Deichmann, Emden
"Die Politik redet von Energiewende, handelt aber wie im fossilen Zeitalter – unglaublich!" – Stefan Kreilende, Hamburg


Anzeige



OZD-Analyse

Hintergrund des Abkommens
– Unitarisierungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden regelt grenzüberschreitende Gasförderung.
– One-Dyas plant Bohrungen im Grenzgebiet, die teilweise in deutsches Hoheitsgebiet reichen.

Juristische Kritik
– Verstoß gegen Pariser Klimaschutzabkommen.
– Verstoß gegen Artikel 20a GG (Klimaschutzgebot).
– Mangelhafte Beteiligung Niedersachsens – verfassungswidrig.

Politische und gesellschaftliche Dimension
– Bundesregierung rechtfertigt das Projekt mit Energiesicherheit.
– Umweltverbände und Klimabewegung sehen darin Sabotage der Energiewende.
– Bundestag und Bundesrat müssen noch entscheiden – mögliche politische Zäsur.



OZD-Erklärungen

Was ist Greenpeace?
Greenpeace ist eine 1971 gegründete internationale Umweltorganisation mit Sitz in Amsterdam. Bekannt wurde sie durch spektakuläre Protestaktionen gegen Atomtests, Walfang und Ölbohrungen. Heute kämpft Greenpeace weltweit für Klima-, Natur- und Artenschutz und gilt als eine der einflussreichsten NGOs im Umweltbereich.

Was ist das Pariser Klimaabkommen?
Das Pariser Klimaabkommen von 2015 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, in dem sich 195 Staaten verpflichtet haben, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Es gilt als Meilenstein der internationalen Klimapolitik.

Was ist das Wattenmeer?
Das Wattenmeer erstreckt sich entlang der Küsten von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden. Es wurde 2009 von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt. Das Ökosystem ist einzigartig, aber hochsensibel und wird durch den Klimawandel, Verschmutzung und Eingriffe wie Öl- und Gasförderung besonders bedroht.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.