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Klares Signal vom EuGH: Ohne Zustimmung kein Strafvollzug im Ausland

Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt: Eine Haftstrafe darf nur mit Zustimmung des ausstellenden Staates in einem anderen EU-Land vollstreckt werden. Das stärkt das Prinzip gegenseitigen Vertrauens.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag ein wegweisendes Urteil gefällt: Wenn ein Straftäter per europäischem Haftbefehl gesucht wird, darf ein EU-Staat die Strafe nicht eigenmächtig selbst vollstrecken. Ohne Zustimmung des Landes, das den Haftbefehl ausgestellt hat, muss der Verurteilte ausgeliefert werden.

Im konkreten Fall ging es um einen Rumänen, der 2017 in Bukarest verurteilt wurde. Nachdem das Urteil 2020 rechtskräftig war, suchten die Behörden per europäischem Haftbefehl nach ihm. Der Mann wurde in Italien festgenommen – doch statt ihn auszuliefern, wollten die italienischen Behörden das Urteil anerkennen und die Strafe in Italien vollstrecken. Sie verwiesen auf die bessere Resozialisierungschance, da der Mann legal in Italien lebte, und planten sogar Hausarrest.

Rumänien widersprach. Das EuGH-Urteil stärkt nun die Position der rumänischen Behörden: Der europäische Haftbefehl beruht auf gegenseitigem Vertrauen zwischen Mitgliedsstaaten, erklärte das Gericht in Luxemburg. Ohne Zustimmung des ausstellenden Landes darf die Strafe nicht in einem anderen Staat umgesetzt werden.

Das letzte Wort im konkreten Fall hat nun wieder das rumänische Gericht – es muss die Luxemburger Rechtsauffassung anwenden.

Kommentar

Das Urteil des EuGH ist ein notwendiger Dämpfer für nationale Alleingänge. Wenn jedes EU-Land selbst entscheidet, wo und wie ein Straftäter seine Strafe absitzt, droht das gesamte Prinzip des europäischen Haftbefehls zu zerfallen. Genau das hat Italien hier riskiert: Unter dem Vorwand der „Resozialisierung“ wurde ein Urteil aus Bukarest eigenmächtig uminterpretiert.

Doch Strafrecht ist kein Wunschkonzert. Wer in einem EU-Staat verurteilt wird, muss sich darauf verlassen können, dass Urteile auch ernst genommen werden – und nicht in anderen Mitgliedsstaaten zu Hausarrest light verwässert werden. Würde dieses Vorgehen Schule machen, könnten Straftäter sich das Land mit den bequemsten Vollzugsregeln aussuchen.

Das EuGH-Urteil setzt daher ein wichtiges Signal: Solidarität und Vertrauen gelten nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Ohne gemeinsame Rechtsgrundlage ist die europäische Justiz nichts wert.

Lesermeinungen

„Hausarrest statt Knast? Klingt eher nach Urlaub als nach Strafe.“ Lisa Bayer, Leverkusen

„Gut, dass der EuGH einschreitet – sonst hätten wir bald Strafvollzug à la carte.“ Michael Tüns, Korschenbroich

„Wieder ein Beispiel, dass jedes Land seine Extrawurst brät. Einheit sieht anders aus.“ Anne Braun, Kiel

OZD-Analyse/ OZD-Lernen

Hintergrund
a) EuGH-Urteil vom Donnerstag, Az. C-305/22.
b) Streit zwischen Rumänien und Italien über die Vollstreckung einer Strafe.
c) Kernfrage: Kann ein Staat ohne Zustimmung den Vollzug übernehmen?

Der konkrete Fall
a) Rumäne 2017 in Bukarest verurteilt, 2020 rechtskräftig.
b) Europäischer Haftbefehl ausgestellt.
c) Festnahme in Italien, dortige Behörden wollten Urteil anerkennen und Strafe selbst umsetzen.

Argumente Italiens
a) Resozialisierungschance höher, da der Mann legal in Italien lebte.
b) Anrechnung bereits verbüßter Haft.
c) Umwandlung in Hausarrest vorgesehen.

Position Rumäniens
a) Europäischer Haftbefehl weiterhin gültig.
b) Auslieferung erforderlich, keine Übernahme ohne Zustimmung.

EuGH-Entscheidung
a) Europäischer Haftbefehl basiert auf gegenseitigem Vertrauen.
b) Eigenmächtige Vollstreckung nur in Ausnahmefällen erlaubt.
c) Zustimmung des ausstellenden Landes zwingend erforderlich.

Folgen
a) Stärkung der Rechtsklarheit innerhalb der EU.
b) Einschränkung nationaler Spielräume bei Strafvollzug.
c) Präzedenzfall für künftige Streitigkeiten über Auslieferungen.

Erklärungen

EuGH (Europäischer Gerichtshof): Höchstes Gericht der Europäischen Union, zuständig für die Auslegung von EU-Recht.
Europäischer Haftbefehl: Instrument zur schnelleren Auslieferung von Straftätern innerhalb der EU, eingeführt 2004.
Resozialisierung: Wiedereingliederung eines Straftäters in die Gesellschaft, oft als Argument für milderen Vollzug genutzt.
Gegenseitiges Vertrauen: Zentrales Prinzip der EU-Justiz, das sicherstellen soll, dass Urteile aller Mitgliedsstaaten respektiert werden.

OZD



Alle Angaben ohne Gewähr
Titelbild: AFP