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75,61 Prozent Macht: Berlusconi-Erben sichern sich deutschen TV-Riesen

Die Berlusconi-Holding MFE hat sich die Kontrolle über ProSiebenSat.1 gesichert. Ein europäisches Medienimperium entsteht – doch die Politik warnt vor Gefahren für die journalistische Unabhängigkeit.

Ein Paukenschlag auf dem europäischen Medienmarkt: Die italienische Holding MediaForEurope (MFE) der Berlusconi-Familie hat ProSiebenSat.1 übernommen. Zum Ende der Annahmefrist am 1. September kontrolliert MFE nun 75,61 Prozent des Aktienkapitals. ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets sprach von einem „Meilenstein“ für den Sender.

MFE wird von Pier Silvio Berlusconi, Sohn des 2023 verstorbenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi, geführt. Das Ziel: ein europäischer Medienkonzern, der es mit den US-Giganten Netflix, Disney+ und Amazon aufnehmen kann. Gemeinsam mit ProSiebenSat.1 deckt MFE nun fünf zentrale Märkte in Europa ab – insgesamt über 210 Millionen Menschen.

Die Übernahme gelang nach einem Machtpoker mit dem tschechischen Konzern PPF. Dieser verkaufte seine 15,7 Prozent an MFE, nachdem ein eigenes Angebot gescheitert war. Noch vor drei Wochen hatte MFE nur 43,6 Prozent gesichert – zu wenig für die Kontrolle. Erst ein nachgebessertes Angebot brachte den Durchbruch.

Doch die Politik bleibt wachsam: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer traf Berlusconi in Berlin und pochte auf die „rote Linie“ redaktioneller Unabhängigkeit.

Kommentar

Die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch die Berlusconi-Holding ist mehr als ein Geschäft – sie ist ein politisches Signal. Ausgerechnet der Clan des Mannes, der in Italien jahrzehntelang Politik und Medien verflocht, kontrolliert nun Deutschlands größten Privatsender. Das sollte jeden Demokraten alarmieren.

Die Argumentation klingt verführerisch: Ein europäischer Medienriese, stark genug, um gegen Netflix & Co. zu bestehen. Doch unter dieser Fassade lauert die Gefahr: Was passiert, wenn journalistische Unabhängigkeit auf die Interessen einer Familie trifft, die Medien immer als Machtinstrument verstanden hat?

Die Bundesregierung mag sich mit wohlklingenden Versicherungen von Pier Silvio Berlusconi zufriedengeben – doch Worte sind billig. Die Frage ist, ob künftig auch kritische Berichterstattung über Italien, über Berlusconi oder über MFE selbst noch ungebremst möglich sein wird.

Europa braucht starke Medien. Aber nicht um den Preis, dass die Vielfalt und Unabhängigkeit geopfert werden. Wenn der Deal ein „Meilenstein“ ist, dann einer, der gefährlich ins Rutschen geraten kann.

Lesermeinungen

„Na toll, bald laufen bei ProSieben nur noch Berlusconi-Shows.“ Angela Nahaus, Euskirchen

„Europa muss zusammenhalten gegen Netflix – aber nicht so!“ Bernd Sanders, Gelsenkirchen

„Ich warte schon auf die erste Doku über Silvio, natürlich in Hochglanz.“ Helene Brill, Ahaus

OZD-Analyse/ OZD-Lernen

Fakten zur Übernahme
a) Beteiligung: MFE sichert 75,61 Prozent an ProSiebenSat.1.
b) Käufer: MediaForEurope (MFE), geführt von Pier Silvio Berlusconi.
c) Verkäufer: PPF-Konzern, der 15,7 Prozent abgab.

Zeitlicher Ablauf
a) März 2024: MFE kündigt Übernahmeangebot an.
b) Ursprüngliche Annahmefrist brachte nur 43,6 Prozent.
c) Nachgebessertes Angebot, Ende August Rückzug von PPF.
d) 1. September: endgültige Kontrolle durch MFE.

Zielsetzung
a) Aufbau eines europäischen Medienkonzerns.
b) Konkurrenzfähigkeit gegenüber US-Streamingdiensten.
c) Abdeckung von fünf europäischen Märkten mit 210 Mio. Einwohnern.

Politische Dimension
a) Bundesregierung äußerte Sorge um redaktionelle Unabhängigkeit.
b) Gespräch Berlusconi–Weimer im Bundeskanzleramt.
c) Versprechen: redaktionelle Unabhängigkeit bleibt gewahrt.

Risikoanalyse
a) Gefahr von Einflussnahme durch Berlusconi-Konzern.
b) Historische Parallele: Silvio Berlusconi nutzte Medien für politische Zwecke.
c) Offene Frage: Kontrollmechanismen in Deutschland ausreichend?

Erklärungen

MFE (MediaForEurope): Italienische Holding der Berlusconi-Familie, Mehrheitseignerin mehrerer europäischer TV-Sender.
ProSiebenSat.1: Größter deutscher Privatsenderverbund mit Sendern wie ProSieben, Sat.1 und Kabel eins.
Silvio Berlusconi: Italienischer Ex-Premier (1936–2023), Medienunternehmer, kontroverse politische Figur.
Pier Silvio Berlusconi: Sohn von Silvio, aktueller CEO von MFE.
PPF: Tschechischer Finanz- und Industriekonzern, bisher Großaktionär bei ProSiebenSat.1.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr
Titelbild: AFP