Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat seine Skepsis gegenüber einer Rückkehr syrischer Geflüchteter bekräftigt und dabei drastische Worte gewählt. „Die Situation in Syrien ist schlimmer als die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Wadephul am Dienstag in einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wie AFP aus Teilnehmerkreisen erfuhr.
Der Außenminister verteidigte damit seine bisherigen Aussagen, wonach eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge „zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich“ sei, da in Syrien „sehr viel an Infrastruktur zerstört“ wurde. Zugleich wies Wadephul den Vorwurf zurück, zu sensibel zu argumentieren, und betonte, seine Einschätzung basiere auf Eindrücken einer Syrienreise in der vergangenen Woche.
Nach Angaben aus der Fraktion wurde Wadephuls Rede mit „verhaltenem Beifall“ aufgenommen – doch es gab auch deutliche Nachfragen. Vor allem Vertreter des konservativen Flügels forderten eine härtere Linie. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatten sich zuvor klar für eine Rückführung syrischer Geflüchteter ausgesprochen.
Merz hatte am Montag erklärt, der „Bürgerkrieg in Syrien ist zu Ende“, und betont, es gebe „keinen Grund mehr für Asyl in Deutschland“. Wadephul hingegen plädiert für Realismus: Syrien sei noch weit davon entfernt, „sicher und stabil“ zu sein.
OZD
OZD-Kommentar:
Wadephul sagt, was viele in seiner Partei nicht hören wollen: Syrien ist
kein Land im Wiederaufbau, sondern ein Land in Trümmern. Der Vergleich
mit Deutschland nach 1945 ist unbequem – aber treffend. Während Merz und
Dobrindt von Rückführungen sprechen, die faktisch nicht umsetzbar sind,
zeigt Wadephul den Realitätscheck: Ein zerstörtes Land, das weder
Stromnetz noch Krankenhäuser für Millionen Rückkehrer bietet. Die CDU
steht damit vor einem ideologischen Spagat – zwischen humanitärer
Vernunft und populistischem Druck. Wenn Realismus zum Tabu wird,
verliert Politik ihre Glaubwürdigkeit. Anders: Syrien muss wieder aufbauen, da sind alle Syrer gefragt, auch die in und aus Deutschland.
Mini-Infobox:
– Wadephul: Syrien „schlimmer als Deutschland nach 1945“
– Kritik aus CDU und CSU an seiner Zurückhaltung
– Merz fordert Abschiebungen nach Syrien
– Infrastruktur dort weitgehend zerstört
– Wadephul war vergangene Woche in Damaskus
OZD-Analyse
Politische Sprengkraft
a) CDU im Konflikt mit sich selbst – Während Merz Härte zeigt, mahnt Wadephul zur Vorsicht.
b) Sicherheitsfrage vs. Humanität – Der Streit spiegelt die tiefe Spaltung in der Migrationspolitik.
c) Symbolischer Machtkampf – Es geht nicht nur um Syrien, sondern um Führungsautorität innerhalb der Union.
Realität vor Ort
– Syrien leidet weiter unter zerstörter Infrastruktur, fehlender Versorgung und politischer Instabilität.
– Internationale Hilfsorganisationen warnen vor Rückführungen.
– Die Regierung in Damaskus kontrolliert das Land nur teilweise.
Folgen für Deutschland
– Eine Rückführung wäre völkerrechtlich problematisch.
– Die innenpolitische Polarisierung nimmt zu.
– Wadephuls Kurs könnte außenpolitisch glaubwürdiger wirken – innenpolitisch aber isolierend.
Wer ist Johann Wadephul?
Johann Wadephul ist seit 2024 Bundesaußenminister im Kabinett Merz. Der
CDU-Politiker aus Schleswig-Holstein gilt als außenpolitischer
Pragmatiker mit klar transatlantischer Haltung. Vor seinem Ministeramt
war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und
Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
Was bedeutet der Vergleich mit Deutschland nach 1945?
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Trümmern – zerstörte
Städte, Millionen Vertriebene, kaum funktionierende Verwaltung. Wadephul
sieht Syrien heute in einem ähnlich chaotischen Zustand, allerdings
ohne die internationale Stabilisierung, die Deutschland damals durch die
Alliierten erhielt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Historischer Vergleich: 1945 waren in Deutschland rund 20 Prozent der Infrastruktur zerstört – in Syrien liegt der Anteil laut UN bei über 50 Prozent.