Die Bundesregierung hat am Mittwoch ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen, um Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen von übermäßiger Bürokratie zu befreien. Das sogenannte „Entlastungskabinett“ auf Initiative von Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) verabschiedete acht Gesetzentwürfe und mehr als 50 Eckpunkte für künftige Vereinfachungen.
Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2029 sollen die Bürokratiekosten um 25 Prozent – das entspricht rund 16 Milliarden Euro – sinken. Auch der sogenannte Erfüllungsaufwand, also der Zeit- und Kostenaufwand zur Einhaltung rechtlicher Vorschriften, soll um zehn Milliarden Euro reduziert werden. „Wenn es am Ende fünf Milliarden werden, bin ich zufrieden“, sagte Wildberger dem Handelsblatt.
Die acht sofort beschlossenen Gesetze umfassen unter anderem den Wegfall zahlreicher Berichtspflichten, eine vereinfachte Gewerbeordnung sowie die Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen und der Zwangsvollstreckung. Damit sollen laut Wildberger „mindestens 100 Millionen Euro Entlastung“ erzielt werden.
Kern der Sitzung war jedoch die Verabschiedung von mehr als 50 Eckpunkten, die nun in konkrete Gesetzesvorhaben überführt werden sollen. Diese sollen in den kommenden Monaten umgesetzt werden und laut Digitalministerium Entlastungen „in Milliardenhöhe“ bewirken.
Dazu zählen etwa schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für Verkehrswege, die Reform des Gebäudetyp-E-Gesetzes, um flexiblere Bauvorgaben zu ermöglichen, sowie eine Änderung der Arbeitsschutzbestimmungen. Künftig sollen höhere Schwellenwerte für Sicherheitsbeauftragte gelten – rund 123.000 Positionen könnten dadurch wegfallen.
OZD
OZD-Kommentar:
Deutschland hat sich über Jahrzehnte in Formularen, Prüfpflichten und Genehmigungsschleifen verfangen. Dass Wildberger nun den „Bürokratie-Turbo“ zündet, ist überfällig – doch ob daraus ein echter Kulturwandel wird, ist fraglich. Solange jeder Abbau von Vorschriften von anderen Ressorts mit neuen Auflagen konterkariert wird, bleibt die Entlastung eine Rechenübung. Deutschland braucht nicht nur digitale Verfahren, sondern ein Umdenken im Staatsapparat: Vertrauen statt Dauerprüfung. Wenn das „Entlastungskabinett“ ernst macht, wäre das die größte Verwaltungsrevolution seit Jahrzehnten – wenn nicht, bleibt es Symbolpolitik mit USB-Anschluss.
Mini-Infobox:
– Ziel: 25 % weniger Bürokratiekosten (≈16 Mrd. €) bis 2029
– 8 neue Gesetze + 50 weitere Eckpunkte beschlossen
– Fokus: Digitalisierung, Baurecht, Arbeitsschutz, Verkehrsplanung
– Wegfall von 123.000 Sicherheitsbeauftragten geplant
– Federführung: Digitalministerium (Karsten Wildberger, CDU)

OZD-Analyse
Die zentralen Hebel der Entlastung
a) Digitalisierung: – Online-Vollzug bei Immobilienverträgen und Zwangsvollstreckungen.
b) Vereinfachung: – Weniger Berichtspflichten, flexiblere Bauvorschriften.
c) Arbeitsschutzreform: – Neue Schwellenwerte senken Personalaufwand.
Politische Bedeutung
– Wildberger profiliert sich als Pragmatiker und Modernisierer.
– CDU-Regierungsflügel setzt sich mit wirtschaftsfreundlicher Agenda durch.
– Der Erfolg hängt von der Umsetzungsgeschwindigkeit der Ressorts ab.
Risiken und offene Fragen
– Widerstand von Gewerkschaften und Landesbehörden zu erwarten.
– Gefahr, dass Entlastung auf dem Papier bleibt.
– Entscheidend: ob Digitalisierung tatsächlich Prozesse beschleunigt oder nur verschiebt.
Wer ist Karsten Wildberger?
Karsten Wildberger, Jahrgang 1969, ist seit 2024 Bundesdigitalminister und parteiloser CDU-Experte für Wirtschaft und Technologie. Zuvor war er Vorstandschef der Ceconomy AG (MediaMarkt/Saturn). Er gilt als Verfechter moderner Verwaltungsstrukturen und gilt als einer der pragmatischsten Köpfe im Kabinett Merz.
Was ist das „Entlastungskabinett“?
Das „Entlastungskabinett“ ist eine interne Initiative der Bundesregierung unter Leitung des Digitalministeriums, die ressortübergreifend Maßnahmen zur Reduzierung von Bürokratie und Regulierungskosten koordiniert. Es soll sicherstellen, dass künftige Gesetzesvorhaben stets auf ihre Entlastungswirkung geprüft werden.
OZD-Extras
Fun-Fact: Nach Berechnungen des Normenkontrollrats kostet Bürokratie in Deutschland jährlich über 55 Milliarden Euro – mehr als der gesamte Bildungsetat des Bundes.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
