Die AfD hat mit scharfen Worten auf Äußerungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem möglichen Parteiverbotsverfahren reagiert. „Nie hat ein Bundespräsident sein Amt so missbraucht“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, dem Handelsblatt am Montag.
Auch AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte Steinmeier scharf. „In dem Moment, in dem die AfD verboten werden würde, wäre die Bundesrepublik Deutschland de facto keine Demokratie mehr“, sagte sie dem Portal The Pioneer.
Steinmeier hatte am Samstag bei einer Gedenkveranstaltung zum 9. November in seinem Berliner Amtssitz an die Pogromnacht von 1938 erinnert und zugleich die wehrhafte Demokratie betont. Ohne die AfD namentlich zu nennen, sprach er davon, dass ein Parteiverbot die „Ultima Ratio“ bleibe – also das letzte Mittel des Rechtsstaates gegen Verfassungsfeinde. Zugleich forderte er, Politik und Gesellschaft dürften „nicht tatenlos bleiben“, bis ein solches Verfahren eingeleitet sei.
Diese Worte werteten AfD-Politiker als verdeckten Aufruf zu einem AfD-Verbotsverfahren. Baumann warf Steinmeier vor, „mit der Aussage ‚Wir müssen handeln‘ zu einem Verbotsverfahren aufzurufen“ und damit seine Befugnisse zu überschreiten.
Der AfD-Politiker ging noch weiter: Steinmeier wolle „jede Zusammenarbeit mit der in Umfragen stärksten politischen Kraft in Deutschland verhindern“ und habe sie am Gedenktag „in eine Reihe mit den Nazimördern“ gestellt.
Baumann zog zudem Parallelen zur internationalen Politik: „Während unsere Schwesterparteien von Donald Trump bis Giorgia Meloni schon regieren, laufen große Teile der linksgrünen politischen Klasse in Deutschland Amok“, sagte er. Nur die Wähler könnten „dies stoppen“.
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OZD- Kommentar
Mit Erpressung wird Politik gemacht – und das von ganz oben
Was Frank-Walter Steinmeier gesagt hat, mag juristisch im Rahmen des Amtes liegen – politisch ist es brandgefährlich. Wenn ein Bundespräsident, der eigentlich zur Überparteilichkeit verpflichtet ist, öffentlich das Wort „Ultima Ratio“ im Zusammenhang mit einer Partei wählt, die in Umfragen über 20 Prozent liegt, dann ist das mehr als ein moralischer Appell. Es ist ein Signal – und zwar an alle, die die AfD mit juristischen Mitteln statt mit politischen Argumenten bekämpfen wollen.
Die AfD nutzt diese Vorlage nun geschickt als Beweis für ihre Opferrolle. Doch das größere Problem liegt woanders: In Deutschland droht die Grenze zwischen moralischer Autorität und politischer Einflussnahme zu verschwimmen.
Ein Präsident, der „Handeln“ fordert, läuft Gefahr, als Akteur statt als Vermittler wahrgenommen zu werden.
Wenn so Politik gemacht wird – mit moralischem Druck und unterschwelliger Erpressung –, dann verliert das höchste Amt im Staat an Vertrauen.
Die Prognose ist klar: Sollte die Regierung oder ein Bundesland tatsächlich ein Verbotsverfahren einleiten, wird Steinmeier spätestens dann selbst zum zentralen Wahlkampfthema.
OZD- Analyse
1. Hintergrund der Rede:
Steinmeier sprach am 9. November in Berlin, einem Gedenktag, der an die Pogromnacht 1938 und den Mauerfall 1989 erinnert.
Seine Mahnung zur Wehrhaftigkeit der Demokratie erfolgte in einer Phase zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung.
2. Politischer Kontext:
a) Die AfD steht in mehreren Bundesländern unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
b) Mehrere Politiker von SPD, Grünen und FDP haben öffentlich über ein mögliches Parteiverbot nachgedacht.
c) Ein Verbotsantrag könnte nur von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung gestellt werden – nicht vom Präsidenten.
3. Reaktionen und Risiken:
– Die Rede wird von Gegnern als moralisches Signal gegen Rechtsextremismus gewertet.
– Für die AfD ist sie politisches Kapital, um die Erzählung der „verfolgten Opposition“ zu verstärken.
– Die Affäre könnte den gesellschaftlichen Graben weiter vertiefen.
OZD- Erklärung
Wer ist Frank-Walter Steinmeier?
Frank-Walter Steinmeier, Jahrgang 1956, ist seit 2017 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er Außenminister (2005–2009, 2013–2017) und SPD-Fraktionschef im Bundestag. Sein Amt verpflichtet ihn zur überparteilichen Neutralität.
OZD- Erklärung
Was ist ein Parteiverbotsverfahren?
Ein Parteiverbotsverfahren wird vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet, wenn eine Partei darauf abzielt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist das schärfste Instrument der deutschen Demokratie, wurde aber bisher nur selten angewendet – zuletzt erfolglos gegen die NPD.
Lesermeinungen
„Steinmeier überschreitet eine Linie, die das Vertrauen in das Amt untergräbt.“ – Helga M., Dresden
„Die AfD sucht überall Feindbilder, aber diesmal hat der Präsident ihr das perfekte geliefert.“ – Jürgen R., Hannover
„Wenn selbst das Staatsoberhaupt politisch klingt, verliert die Demokratie ihre Stimme der Mitte.“ – Anke B., München
OZD
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Titelbild: AFP