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Europas Rüstungsboom: Ukraine-Krieg lässt Waffenumsätze explodieren

Der Ukraine-Krieg treibt Europas Rüstungsindustrie massiv an. Besonders deutsche Konzerne erleben Rekordzuwächse. Ein Sipri-Bericht zeigt, wie tiefgreifend sich der Waffenmarkt durch die russische Bedrohung verändert hat.

Die internationale Aufrüstung erreicht neue Dimensionen – und Europas Rüstungskonzerne gehören zu den größten Gewinnern. Wie der neue Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri zeigt, stiegen die Erlöse der 26 wichtigsten europäischen Hersteller im vergangenen Jahr um satte 13 Prozent auf rund 151 Milliarden Dollar. Angetrieben wurde dieser historische Zuwachs vor allem durch die anhaltende militärische Bedrohung durch Russland und die damit verbundene Nachfrage nach Luftabwehrsystemen, Munition und gepanzerten Fahrzeugen.

Besonders stark profitieren die deutschen Rüstungsriesen. Rheinmetall, Diehl, ThyssenKrupp Marine Systems und Hensoldt steigerten ihre Einnahmen um 36 Prozent auf knapp 15 Milliarden Dollar. Rheinmetall allein verbuchte ein Umsatzplus von 47 Prozent – getragen von stetigen Aufträgen für Panzer und Munition, die im Ukraine-Krieg dringender denn je gebraucht werden.

Weltweit legten die 100 größten Rüstungsfirmen um knapp sechs Prozent zu. Europa war laut Sipri-Forscher Jade Guiberteau Ricard der entscheidende Wachstumsmotor, vor allem wegen der massiven Nachbestellungen zur Auffüllung eigener Bestände und der Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch die Ausweitung der Produktionskapazitäten spielt eine Schlüsselrolle – doch eine drohende Knappheit bei Rohstoffen wird zunehmend zur Herausforderung.

Während die US-Konzerne langsamer wuchsen, dafür aber weiterhin fast die Hälfte des weltweiten Umsatzes generieren, verzeichnete China erstmals Rückgänge. Russlands Hersteller dagegen steigerten trotz Sanktionen ihre Erlöse um 23 Prozent – befeuert durch die Kriegswirtschaft des eigenen Landes.

Die Daten zeigen eine neue Realität: Das weltweite Sicherheitsgefüge hat sich verschoben, die Nachfrage nach Waffen steigt rasant – und der Markt reagiert.

OZD



OZD-Kommentar „Aufrüstung ohne Ausweg? Europas riskante Waffenabhängigkeit“

Europa rüstet auf wie seit Jahrzehnten nicht – und die Rüstungsindustrie reibt sich die Hände. Doch hinter den glänzenden Zahlen steckt ein beunruhigendes Signal: Der Kontinent macht sich abhängig von einer Sicherheitslogik, die auf Dauer kaum beherrschbar ist. Was als notwendige Reaktion auf die Bedrohung durch Russland erscheint, entwickelt eine Eigendynamik, die selbst demokratische Staaten zunehmend unter Druck setzt.

Wer heute Produktionskapazitäten ausweitet, baut nicht nur Waffen – er baut eine Infrastruktur für dauerhafte Aufrüstung. Und wenn Milliarden erst einmal in Fabriken, Lieferketten und langfristige Verträge fließen, entsteht ein Momentum, das sich politisch kaum noch stoppen lässt. Europa droht in eine Rüstungs-Spirale zu geraten, aus der es keinen bequemen Weg zurück gibt.

Gleichzeitig wächst die moralische Blindstelle: Während europäische Firmen Rekordumsätze melden, sterben in der Ukraine täglich Menschen. Die Gewinne sind untrennbar mit einem Krieg verbunden, der bislang kein Ende kennt. Es ist legitim, Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen – aber gefährlich, wenn Wirtschaft und Sicherheitspolitik beginnen, dieselbe Sprache zu sprechen.

Aufrüstung mag notwendig sein. Doch sie darf nicht zur Normalität werden. Genau diese Grenze droht Europa im Lärm der Panzerwerke zu verlieren.

Mini-Infobox

Europäische Rüstungsumsätze +13 %

Deutsche Konzerne: +36 %, Rheinmetall allein +47 %

Weltweiter Umsatz: 679 Mrd. Dollar

Größter Hersteller: Lockheed Martin (USA)

Russische Firmen +23 % trotz Sanktionen



OZD-Analyse

1. Europas neuer Rüstungsmodus
– a) Ukraine-Krieg setzt gesamte Industrie unter Hochspannung –
– b) Nachbestellungen und Kapazitätsausbau treiben Wachstum –
– c) Politischer Druck sorgt für zusätzliche Dynamik –

2. Deutschlands Rolle im globalen Verteidigungsmarkt
– a) Rheinmetall dominiert mit Rekordzuwächsen –
– b) Luftabwehr- und Munitionssysteme besonders gefragt –
– c) Industrie strukturell auf langfristige Aufrüstung ausgerichtet –

3. Globale Machtverschiebungen im Rüstungsmarkt
– a) USA bleiben trotz geringeren Wachstums unangefochtene Nummer eins –
– b) China schwächelt erstmals – ein geopolitisches Signal –
– c) Russland rüstet weiter massiv, getrieben durch eigene Kriegswirtschaft –


Erklärungen

Was ist Sipri?
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ist eines der weltweit führenden Forschungszentren für Konflikte, Rüstung und internationale Sicherheit. Der jährliche Rüstungsreport gilt als globale Referenz.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

Wer ist Rheinmetall?
Rheinmetall ist der größte deutsche Rüstungskonzern und produziert unter anderem Panzer, Munition und militärische Fahrzeuge. Das Unternehmen profitiert stark von der erhöhten Nachfrage im Zuge des Ukraine-Kriegs.

OZD-Extras

Extra: Europas Rückkehr zur Rüstungslogik – ein historischer Wendepunkt
Seit Jahrzehnten investierte Europa vorrangig in Friedensmissionen und Diplomatie. Der Ukraine-Krieg zwang den Kontinent zum geopolitischen Umdenken – mit massiven finanziellen und politischen Folgen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.