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Ein Korruptionsskandal erschüttert Ukraine: Justizminister suspendiert

Ein Korruptionsskandal im ukrainischen Energiesektor zieht immer größere Kreise: Justizminister Herman Haluschtschenko wurde suspendiert, Ermittler sprechen von einem Netzwerk aus Macht, Geld und politischer Einflussnahme – bis ins Umfeld von Präsident Selenskyj.

Die Ukraine steht erneut im Schatten einer Korruptionsaffäre, die diesmal die obersten Regierungskreise erschüttert. Justizminister Herman Haluschtschenko, bis vor wenigen Monaten Energieminister, wurde am Mittwoch von seinen Aufgaben entbunden. Regierungschefin Julia Swyrydenko teilte die Entscheidung über soziale Netzwerke mit. Seine Aufgaben übernimmt vorübergehend Ljudmyla Sugak, die stellvertretende Ministerin für europäische Integration.

Haluschtschenko selbst nannte seine Suspendierung „ein zivilisiertes und richtiges Szenario“. Er bestreitet jegliche Schuld: „Ich werde mich vor Gericht verteidigen.“ Doch die Vorwürfe sind schwerwiegend. Ermittler der Antikorruptionsbehörden Nabu und Sapo werfen ihm vor, persönliche Vorteile von Timur Minditsch, einem engen Vertrauten von Präsident Wolodymyr Selenskyj, erhalten zu haben.

Minditsch, Miteigentümer der Produktionsfirma Kwartal 95, die Selenskyj vor seiner politischen Karriere gegründet hatte, soll laut Ermittlern die Kontrolle über ein weit verzweigtes Korruptionsnetzwerk im ukrainischen Energiesektor ausgeübt haben. Dabei seien rund 100 Millionen Dollar an Schmiergeldern geflossen.

Wie das Nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) bestätigte, wurden die Wohnungen von Haluschtschenko und Minditsch durchsucht. Das Ermittlerteam spricht von einer „hochrangigen kriminellen Organisation“, die gezielt versucht habe, staatliche Energieunternehmen wie Energoatom zu beeinflussen.

Nabu-Ermittlungsleiter Oleksander Abakumow erklärte im staatlichen Fernsehen, Minditsch habe kurz vor den Razzien das Land verlassen. Laut Staatsanwaltschaft soll er Gelder „gesammelt, verteilt und gewaschen“ haben, die durch illegale Geschäfte im Energiesektor erzielt wurden.

Die Affäre trifft Präsident Selenskyj in einer heiklen Phase: Korruptionsbekämpfung gilt als zentrale Bedingung für den angestrebten EU-Beitritt der Ukraine. Erst im Sommer war die Regierung in die Kritik geraten, weil sie versuchte, die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden Nabu und Sapo einzuschränken – ein Schritt, den Brüssel scharf verurteilte.

In der Bevölkerung wächst die Empörung: Während das Land seit fast drei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg kämpft und seine Energieinfrastruktur unter Dauerbeschuss steht, sollen Millionen in private Taschen geflossen sein.

OZD


OZD-Kommentar:
Die Suspendierung Haluschtschenkos ist mehr als ein Einzelfall – sie ist ein Symptom. Die Ukraine kämpft an zwei Fronten: gegen Russland und gegen sich selbst. Wenn inmitten von Krieg und Not Milliarden versickern, steht nicht nur die Moral des Staates, sondern seine Glaubwürdigkeit in Europa auf dem Spiel. Selenskyj wollte Korruption beenden – doch sie wurzelt tief im System, das ihn trägt. Die Stunde der Transparenz ist überfällig: Wer Europa will, muss auch europäische Maßstäbe leben. Der Skandal um Minditsch ist ein Test – für die Justiz, die Politik und Selenskyjs eigenes Versprechen.


Mini-Infobox:
Betroffene: Justizminister Herman Haluschtschenko
Vorwurf: Korruption und Vorteilsnahme im Energiesektor
Zentrale Figur: Timur Minditsch, Vertrauter von Präsident Selenskyj
Ermittlungen: Nationale Antikorruptionsbehörde (Nabu) und Sapo
Summe: rund 100 Millionen Dollar


OZD-Analyse

Strukturen der Korruption
a) Der Energiesektor gilt als einer der anfälligsten Bereiche der ukrainischen Wirtschaft.
b) Korruption erfolgt oft über intransparente Ausschreibungen und Offshore-Konstrukte.
c) Das Nabu versucht seit Jahren, Netzwerke zwischen Politik, Wirtschaft und Oligarchen offenzulegen.

Politische Dimension
– Die Affäre erreicht das Umfeld von Präsident Selenskyj – ein schwerer Schlag für sein Reformversprechen.
– Der EU-Beitrittsprozess hängt entscheidend von der Unabhängigkeit der Justiz ab.
– Die Suspendierung Haluschtschenkos könnte als Signal der Schadensbegrenzung dienen, bleibt aber ein Zeichen politischer Schwäche.

Reaktionen und Folgen
– In der Bevölkerung wächst das Misstrauen gegen die politische Elite.
– Westliche Partner fordern lückenlose Aufklärung und institutionelle Reformen.
– Der Fall könnte die Finanzhilfen aus Brüssel und Washington stärker an Bedingungen knüpfen.

Wer ist Herman Haluschtschenko?
Herman Haluschtschenko ist ein ukrainischer Politiker und Jurist, der bis Sommer 2024 Energieminister war und anschließend das Justizministerium übernahm. Er gilt als erfahrener Verwaltungsbeamter, dem enge Verbindungen in die Wirtschaft nachgesagt werden.

Was ist das Nabu?
Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (Nabu) ist eine unabhängige Ermittlungsbehörde, die 2015 auf Druck der EU gegründet wurde. Es untersucht Korruptionsfälle in Regierung, Verwaltung und staatlichen Unternehmen.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

OZD-Extras
Fakt am Rande: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 hat das Nabu über 300 Ermittlungsverfahren wegen Korruption im Staatsapparat eingeleitet – die Zahl steigt weiter.