EU-Ratspräsident António Costa hat mit ungewöhnlich deutlichen Worten auf die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA reagiert. In Brüssel machte er klar, dass Europa die „Androhung einer Einmischung in das politische Leben Europas“ nicht akzeptieren werde. Die USA könnten nicht anstelle europäischer Bürger entscheiden, „welches die guten Parteien und die schlechten Parteien sind“, sagte Costa am Montag bei einer Veranstaltung des Jacques-Delors-Instituts.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag ein Papier vorgestellt, das einen tiefgreifenden außenpolitischen Kurswechsel festschreibt. Darin wird Europa scharf kritisiert – für seine Migrationspolitik, für angebliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit und für eine vermeintliche politische Schwäche. Zugleich kündigen die USA an, künftig „patriotische Parteien“ unterstützen zu wollen, die sich dem aktuellen Kurs Europas widersetzen.
Brüssel reagiert alarmiert. Costa betonte, auch wenn die USA Europa weiterhin als Verbündeten bezeichneten, müsse dies gegenseitigen Respekt einschließen. „Wenn wir Verbündete sind, müssen wir auch als solche handeln“, sagte der Ratspräsident. Die jüngsten Statements aus Washington bezeichnete er als „zu weitgehend“ und warnte, die Souveränität der EU stehe nicht zur Disposition.
Gleichzeitig betonte Costa, dass
die USA trotz der scharfen Töne ein zentraler Partner und
wirtschaftlicher Verbündeter blieben. Die EU müsse jedoch selbstbewusst
auftreten und ihr „souveränes Europa“ schützen – gerade in Zeiten
strategischer Verschiebungen. Denn Washington strebe laut der neuen
Strategie eine stärkere Konzentration auf nationale Interessen und mehr
Einfluss in Lateinamerika an, während es sich global zurückzuziehen
scheint.
OZD
Europa steht an einem gefährlichen Scheideweg. Während die USA sich neu ausrichten und sich politisch in die inneren Debatten der EU hineinlehnen wollen, muss Europa endlich klären, wofür es steht – und wofür nicht. António Costa spricht aus, was viele in Brüssel denken, aber nur wenige so klar formulieren: Die EU kann es sich nicht leisten, sich bevormunden zu lassen. Wer „Verbündete“ sagt und gleichzeitig politische Einflussnahme ankündigt, fordert die europäische Souveränität heraus.
Trumps Strategie markiert mehr als nur eine außenpolitische Verschiebung – sie ist ein Test für die Selbstbehauptung der EU. Wird Europa jetzt nicht entschlossen handeln, droht es zum Spielball zwischen geopolitischen Interessen zu werden. Die USA bleiben ein Freund, doch Freundschaft bedeutet nicht Unterordnung. Europa muss stärker, klarer und lauter werden – oder es riskiert, dass andere seine politischen Linien ziehen.

Veröffentlichung der US-Sicherheitsstrategie: Freitag
Kernpunkte: Kritik an Europa, Fokus auf nationale Interessen, Unterstützung „patriotischer Parteien“
Costa: „Europa akzeptiert keine Einmischung“
USA bezeichnen EU weiterhin als Verbündeten
Strategische Neuausrichtung Richtung Lateinamerika
OZD-Analyse1. Die neue US-Strategie und ihre Botschaft an Europa
– a) Rückzug aus globalem Engagement –
– b) Betonung nationaler Interessen –
– c) Offen erklärte Unterstützung politischer Kräfte innerhalb Europas –
2. Europas Reaktion auf die Einmischungswarnung
– a) Souveränität als Kern der Kritik Costas –
– b) Gefahr einer politischen Instrumentalisierung durch Washington –
– c) Notwendigkeit eines geeinten europäischen Auftretens –
3. Die geopolitischen Folgen für das transatlantische Verhältnis
– a) Strategische Unsicherheit in NATO und EU –
– b) Risiko wachsender Distanz zwischen Brüssel und Washington –
– c) Europäische Notwendigkeit, eigene sicherheitspolitische Kapazitäten auszubauen –

Erklärungen
Wer ist António Costa?António Costa ist seit 2024 Präsident des Europäischen Rates. Der portugiesische Politiker war zuvor Premierminister und ist bekannt für seine proeuropäische Haltung sowie seinen Einsatz für europäische Souveränität und institutionelle Stabilität.
Was ist die nationale Sicherheitsstrategie der USA?Die nationale Sicherheitsstrategie ist ein regelmäßig aktualisiertes Grundsatzdokument der US-Regierung, das weltweite Prioritäten, Bedrohungsanalysen und politische Ziele definiert. Unter Präsident Trump setzt die Strategie verstärkt auf nationale Interessen, weniger globale Verpflichtungen und deutliche Kritik an europäischen Entwicklungen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-ExtrasHistorischer Kontext:
Einmischungsdebatten zwischen Europa und den USA gab es schon im Kalten
Krieg – doch selten hat Washington so offen parteipolitisch Stellung
bezogen wie im Strategiepapier 2025.