Die Entscheidung, die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 nach Saudi-Arabien zu vergeben, wirft einen düsteren Schatten auf das Selbstverständnis des internationalen Fußballs – insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte und soziale Verantwortung. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, FairSquare und Amnesty International schlagen angesichts der katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen des Gastgeberlandes Alarm. Die Kritik: scharf, konkret und beunruhigend.
Berichte dokumentieren wiederholt tödliche Arbeitsunfälle – darunter Stürze aus großer Höhe, Stromschläge und sogar Enthauptungen. Die Beschreibung als „grausam, aber vermeidbar“ lässt kaum Zweifel daran, dass es sich nicht um tragische Einzelfälle handelt, sondern um systematische Versäumnisse. Dass Saudi-Arabien es bislang versäumt hat, grundlegende Schutzmaßnahmen für Wanderarbeiter umzusetzen oder wenigstens für transparente Untersuchungen und Entschädigungen zu sorgen, ist Ausdruck eines menschenverachtenden Umgangs mit ausländischen Arbeitskräften – die zu Hunderttausenden die Infrastruktur für sportliche Großereignisse errichten sollen.
Noch schwerwiegender wird die Situation, wenn man berücksichtigt, dass diese Missstände bekannt sind – und dennoch von der FIFA ignoriert wurden. Trotz umfassender Berichte und belegbarer Menschenrechtsverletzungen war Saudi-Arabien der einzige Bewerber, und erhielt im Dezember 2023 erwartungsgemäß den Zuschlag. Dass es keine ernsthafte internationale Konkurrenz gab, entbindet den Weltverband jedoch nicht von seiner Verantwortung. Im Gegenteil: Gerade wenn der Gastgeberstaat selbst keinerlei Standards setzt, müsste die FIFA klare, überprüfbare Bedingungen formulieren – inklusive Konsequenzen bei Verstößen. Stattdessen gibt es vage Absichtsbekundungen, aber keine klaren Mechanismen zur Verhinderung oder Ahndung von Arbeitsrechtsverletzungen.
Hinzu kommt die tiefere strukturelle Problematik: Saudi-Arabiens „Vision 2030“ setzt auf Mega-Bauprojekte – pompös, schnell, risikobehaftet. Die Fußball-WM ist Teil dieser Strategie. Die massive Expansion der Bauindustrie unter Zeitdruck, verbunden mit einem repressiven Umgang mit Arbeitern aus Süd- und Südostasien, wird laut FairSquare in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich zu einem weiteren Anstieg ungeklärter Todesfälle führen. Das ist ein moralischer Offenbarungseid – nicht nur für Saudi-Arabien, sondern auch für die FIFA.
Besonders alarmierend sind auch die Hinweise von Amnesty International auf „extreme Ausbeutung“ von Hausangestellten – einem Bereich, der jenseits der Stadien stattfindet und dennoch das Gesamtbild bestätigt: ein Staat, der Arbeitsmigration zur Verfügung stellt, aber elementare Rechte der Menschen missachtet.
Fazit: Die Vergabe der WM 2034 an Saudi-Arabien steht sinnbildlich für die anhaltende Kluft zwischen sportlichem Glanz und sozialer Realität. Wenn FIFA-Präsident Gianni Infantino in Interviews von "Fußball als Brücke zwischen Kulturen" spricht, bleibt das hohl, solange Tausende Arbeiter diese Brücke mit ihrem Leben bezahlen. Wer globale Sportereignisse nutzt, um sich international zu profilieren, muss sich auch an globalen Menschenrechtsstandards messen lassen. Alles andere ist Heuchelei – mit tödlichen Folgen.
OZD
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Bild: AFP