Titelverteidiger England geht mit reduziertem Personal, aber umso größerem Ehrgeiz in die Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz. Zwar fehlen mit Millie Bright, Mary Earps und Fran Kirby drei tragende Säulen des EM-Triumphes von 2022, doch das Ziel bleibt unverändert. "Wir wollen mehr", betonte Nationaltrainerin Sarina Wiegman im Interview mit der UEFA. Zum Auftakt wartet am Samstagabend Frankreich – ein Härtetest für das runderneuerte Team (21.00 Uhr/ZDF und DAZN).
Vor allem der Ausfall von Abwehrchefin Bright wiegt schwer. Die 30-jährige Innenverteidigerin hatte erst im Juni öffentlich gemacht, dass sie sich körperlich und mental am Limit fühle. In ihrem Podcast und via Instagram erklärte sie, der Rückzug sei "das Beste für meine Gesundheit, meine Zukunft in dem Sport und vor allem für das Team". Auch Wiegman zeigte Verständnis, betonte jedoch, wie wichtig Brights Führungsrolle gewesen sei.
Zuvor hatte bereits Stammkeeperin Mary Earps überraschend ihren Rücktritt verkündet. Die langjährige Nummer eins im Tor war zuletzt von der jüngeren Hannah Hampton verdrängt worden – ein Generationenwechsel, der im englischen Kader nun sichtbarer denn je wird. Auch Fran Kirby verzichtete auf eine Nominierung, nachdem sie erfahren hatte, dass sie nicht im endgültigen Kader stehen würde.
Dennoch setzt Wiegman auf den Teamgeist und die Entwicklung der jüngeren Generation um Bayern-Spielerin Georgia Stanway. England will nicht nur den Titel verteidigen – was bisher nur den DFB-Frauen gelungen ist –, sondern auch als stilprägende Kraft im Frauenfußball auftreten. „Wir wissen, was wir 2022 erreicht haben, aber das ist Vergangenheit. Jetzt wollen wir wieder jagen, uns weiterentwickeln und gewinnen“, so die klare Ansage der Niederländerin auf der englischen Bank.
Die Gruppe D hat es in sich: Neben Auftaktgegner Frankreich warten mit den Niederlanden und Wales zwei weitere anspruchsvolle Gegner. Doch Wiegman ist überzeugt: „Ich habe das Gefühl, dass wir gleich zu Beginn drei Endspiele bestreiten werden.“ Der Turnierstart wird zur Charakterprobe – ohne Kapitänin Bright, ohne Earps im Tor, ohne Kirbys Kreativität. Doch mit dem festen Willen, Englands neues Kapitel im Frauenfußball zu schreiben.
OZD-Kommentar:
Die Rücktrittswelle bei Englands EM-Team könnte den Titeltraum platzen lassen – oder ihn beflügeln. Wiegmans entschlossener Tonfall zeigt: Die Lionesses wollen nicht in Erinnerungen schwelgen, sondern ein neues Kapitel aufschlagen. Doch der Verlust dreier Schlüsselfiguren wiegt schwer. Bright, Earps und Kirby standen für Erfahrung, Stabilität und Inspiration – das lässt sich nicht durch „mehr wollen“ kompensieren. Was bleibt, ist ein verjüngtes Team mit enormem Druck und einer Trainerin, die den Wandel orchestrieren muss. England wird bei dieser EM entweder eine neue Ära einläuten – oder schmerzhaft an der Realität scheitern.
OZD-Analyse
1. Englands Ausgangslage vor der EM 2025:
a) Titelverteidigerrolle
– Letzter EM-Titel 2022 im eigenen Land
– Einziger Titelgewinn bisher
– Mission Titelverteidigung – nur Deutschland gelang dies bisher
b) Trainerin Sarina Wiegman
– Erfolgreiche Nationaltrainerin aus den Niederlanden
– Führt England seit 2021
– Betonung auf Weiterentwicklung und „Jägermentalität“
2. Personalprobleme und Rücktritte:
a) Millie Bright (Abwehr)
– Rückzug aus gesundheitlichen Gründen
– Kapitänin und zentrale Figur der Defensive
b) Mary Earps (Tor)
– Rücktritt trotz möglicher Rolle
– Torwartwechsel zu Hannah Hampton
c) Fran Kirby (Mittelfeld)
– Rückzug vor Nominierung
– Technisch versierte Spielmacherin
3. Gruppe D – Englands Herausforderung:
a) Auftakt gegen Frankreich
– Frankreich ebenfalls ersatzgeschwächt (ohne Wendie Renard)
– Schlüsselspiel um Gruppensieg
b) Weitere Gegner
– Niederlande: stark, ehemalige Weltklassemannschaft
– Wales: kämpferisch, unangenehm zu bespielen
Wer ist Sarina Wiegman?
Sarina Wiegman ist eine niederländische Fußballtrainerin und ehemalige Nationalspielerin. Seit 2021 trainiert sie die englische Nationalmannschaft der Frauen. Wiegman gilt als eine der erfolgreichsten und taktisch versiertesten Trainerinnen im Frauenfußball. Unter ihrer Leitung wurde England Europameister 2022. Zuvor hatte sie mit den Niederlanden 2017 ebenfalls den EM-Titel geholt. Ihre Philosophie ist geprägt von Spielkontrolle, defensiver Stabilität und mentaler Stärke.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.