Die deutsche Exportwirtschaft taumelt: Im Mai sind die Ausfuhren erneut deutlich zurückgegangen – um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Vor allem die Exporte in die USA, Deutschlands wichtigsten Handelspartner, brachen dramatisch ein: minus 7,7 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Mai Waren im Gesamtwert von 129,4 Milliarden Euro ausgeführt – das ist der schlechteste Maiwert seit 2022.
Besonders bitter: Die Lieferungen in die Vereinigten Staaten, die sonst als Stabilitätsanker galten, sanken auf 12,1 Milliarden Euro – der niedrigste Stand seit März 2022, als noch 11,9 Milliarden Euro verbucht worden waren. Auch die Exporte nach China schrumpften um 2,9 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro. Damit bröckeln gleich zwei zentrale Säulen des deutschen Exportmodells.
Ein Lichtblick ist der Vergleich zum Vorjahresmonat: Gegenüber Mai 2024 legten die Exporte leicht um 0,4 Prozent zu. Doch der Rückblick kann nicht über die aktuelle Dynamik hinwegtäuschen: Die Importe gingen gegenüber April um 3,8 Prozent zurück, was auf eine abflauende Binnennachfrage hindeuten könnte. Insgesamt wurden 111,1 Milliarden Euro an Waren eingeführt – das sind jedoch 4,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auch im EU-Handel ist kein Aufwind zu erkennen: Die Exporte in EU-Länder sanken um 2,2 Prozent, in Nicht-EU-Staaten um 0,3 Prozent. ING-Chefökonom Carsten Brzeski spricht von einem "weiteren enttäuschenden Monat". Die Zuwächse im Februar und März seien womöglich auf ein Vorziehen von US-Lieferungen wegen drohender Strafzölle zurückzuführen – ein Einmaleffekt, der sich jetzt brutal recht.
OZD-Kommentar:
Deutschlands Exporteure stecken in der Klemme – und das nicht nur kurzfristig. Wenn gleich zwei Kernmärkte wie die USA und China schwächeln, schrillen in Berlin, Brüssel und Frankfurt die Alarmglocken. Die deutschen Lieferketten sind anfällig für geopolitische Verwerfungen, und die wirtschaftliche Abhängigkeit von US-Konjunktur und chinesischer Nachfrage rächt sich nun brutal.
Besonders alarmierend ist der Rückgang in die USA: Die Biden- und Trump-Zölle wirken längst wie ein wirtschaftspolitischer Nebel, der Planungssicherheit zerstört. Statt echter Diversifizierung erleben wir ein strukturelles Exportproblem. Wenn nun auch der Binnenmarkt schwächelt, droht Deutschland seine industrielle Stärke zu verlieren. Die Regierung muss dringend gegensteuern – mit Handelsinitiativen, Standortanreizen und einem strategischen Neustart der Außenwirtschaftspolitik.
Lesermeinungen
"Unsere Exportstrategie ist veraltet. Immer nur Autos und Maschinen – wo sind die neuen Innovationen?" B. Gellen
OZD-Analyse
Entwicklung der deutschen Exporte im Mai:
– Rückgang um 1,4 % gegenüber April
– Waren im Wert von 129,4 Mrd. € exportiert
– Vergleich zu Mai 2024: +0,4 %
Einbruch in wichtige Exportmärkte:
a) USA
– Minus 7,7 % auf 12,1 Mrd. €
– Tiefster Stand seit März 2022
– Zuvor hohe Ausfuhren durch Zoll-Vorzieheffekte
b) China
– Minus 2,9 % auf 6,8 Mrd. €
– Trend rückläufig trotz zwischenzeitlicher Erholung
Importentwicklung und Binnenlage:
– Importe sanken um 3,8 % auf 111,1 Mrd. €
– Vergleich zum Vorjahr: +4,2 %
– Hinweis auf schwächelnde Inlandsnachfrage
EU- und Nicht-EU-Handel:
– Exporte in EU: –2,2 %
– Exporte in Drittländer: –0,3 %
Ökonomische Bewertung:
– ING-Analyst Brzeski: "Enttäuschender Monat"
– Vorherige Wachstumsmonate wohl Sondereffekt
– Drohende Zölle wirken destabilisierend
Was ist das Statistische Bundesamt?
Das Statistische Bundesamt (Destatis) mit Sitz in Wiesbaden ist die zentrale Behörde für die amtliche Statistik in Deutschland. Es erhebt, analysiert und veröffentlicht Daten zu Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Ziel ist es, objektive Informationen für Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit bereitzustellen. Zu den wichtigsten Veröffentlichungen gehören Arbeitsmarktberichte, Konjunkturstatistiken und die Außenhandelsdaten.
Wer ist Carsten Brzeski?
Carsten Brzeski ist Chefvolkswirt der ING Deutschland. Der Ökonom gilt als einer der schärfsten und zugleich analytischsten Kommentatoren der deutschen Wirtschaftslage. Er warnt regelmäßig vor strukturellen Risiken, besonders im Bereich der Industrie und der Exportabhängigkeit. Zuvor arbeitete er für die Europäische Zentralbank.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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