Frankreich will den nächsten großen Schritt in der Nahost-Diplomatie gehen – und sorgt damit für ein internationales Beben. Präsident Emmanuel Macron kündigte am Donnerstag an, dass er bei der UN-Generaldebatte im September offiziell die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Frankreich erklären werde. „Es ist an der Zeit, dass Palästina entsteht“, schrieb Macron auf Plattformen wie X und Instagram.
Der französische Präsident begründete seine Entscheidung mit dem „dringenden Bedarf an einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten“. Die Menschen im Gazastreifen müssten endlich in Sicherheit leben, und der Aufbau eines palästinensischen Staates sei „unverzichtbar“.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas’ Stellvertreter Hussein al-Scheich begrüßte Macrons Ankündigung umgehend. Die Entscheidung reflektiere „das Bekenntnis Frankreichs zum Völkerrecht und zur Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes“. Auch auf den Straßen im Westjordanland war der Jubel groß.
Doch in Israel löste Macrons Schritt scharfe Empörung aus. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einer „Belohnung für Terror“ und warnte, ein palästinensischer Staat sei „eine Startrampe für die Vernichtung Israels“. Außenminister Gideon Saar nannte die Entscheidung „unverantwortlich“ – ein palästinensischer Staat sei seiner Ansicht nach nichts anderes als „ein Hamas-Staat“.
Auch aus den USA kam heftiger Protest. Außenminister Marco Rubio sagte, die Entscheidung Frankreichs diene nur der „Propaganda der Hamas“ und sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer des 7. Oktober 2023, als die Hamas Israel mit einem brutalen Überfall überfiel.
Die radikalislamische Hamas selbst begrüßte Macrons Schritt als „positiven Schritt in die richtige Richtung“ und rief andere Länder auf, Frankreich zu folgen. Laut AFP haben weltweit bereits 142 Staaten einen Palästinenserstaat anerkannt oder angekündigt, dies zu tun – darunter Spanien, Norwegen, Irland und Slowenien.
Der Zeitpunkt von Macrons Vorstoß ist symbolträchtig: Im September ist in New York ein großer UN-Gipfel zur Nahostfrage geplant, unter Vorsitz von Frankreich und Saudi-Arabien. Dort soll die lange blockierte Zwei-Staaten-Lösung wieder auf die internationale Agenda gebracht werden – ein Ziel, das Macron als „moralische Pflicht“ bezeichnet.
OZD-Kommentar:
Frankreichs Entscheidung ist ein Paukenschlag – und ein Risiko. Emmanuel Macron geht mit seiner Ankündigung, Palästina als Staat anzuerkennen, in offene Konfrontation mit Israel und den USA. Doch was auf den ersten Blick wie ein mutiger Schritt für den Frieden wirkt, droht sich als Brandbeschleuniger zu erweisen. Denn mit der einseitigen Anerkennung eines Palästinenserstaats – während Hamas noch immer Raketen auf Israel feuert – könnten die falschen Kräfte gestärkt werden.
Zwar fordert Macron von China und anderen Staaten regelmäßig, mehr Verantwortung im Ukraine-Krieg zu übernehmen, doch nun geht er selbst einen Weg, der die Sicherheitslage in Israel verschärft. Wie will Frankreich garantieren, dass ein künftiger Palästinenserstaat nicht unter Kontrolle der Hamas oder anderer radikaler Gruppen steht? Die französische Erklärung ignoriert diese elementare Frage.
Gleichzeitig ist Macrons Schritt ein politisches Signal nach innen: Er will Führungsstärke demonstrieren, während seine Regierung unter Druck steht. Doch außenpolitische Symbolpolitik ersetzt keine tragfähige Friedensstrategie. Ohne Sicherheitsgarantien für Israel ist die Zwei-Staaten-Lösung keine Lösung, sondern eine Illusion.
Lesermeinungen
„Frankreich macht endlich das, was Deutschland sich nicht traut. Die Palästinenser verdienen Anerkennung – trotz Hamas.“ Deik
„Ein Staat Palästina? Und wer regiert dann? Die Terroristen? Macron ist naiv und gefährlich.“ Grossi
„Der Schritt ist richtig – aber er kommt zu spät. Europa muss aktiv Frieden schaffen und nicht nur verhandeln.“ G. N.
Was ist Deine Meinung? Schreibe an: redaktion@online-zeitung-deutschland.de !
OZD-Analyse
1. Frankreichs außenpolitische Positionierung
Macron positioniert sich als Friedensvermittler in einem globalen Konflikt, der über Jahrzehnte ungelöst blieb. – Er signalisiert Unabhängigkeit von der US-Politik, die eine Anerkennung ablehnt. – Gleichzeitig nutzt er das Momentum, um sich außenpolitisch zu profilieren.
2. Internationale Reaktionen und geopolitische Brisanz
Israel sieht sich durch die Ankündigung in seiner Existenz bedroht. – Die USA reagieren mit diplomatischer Ablehnung und verweisen auf die Folgen für den Friedensprozess. – Andere EU-Staaten, insbesondere Spanien und Irland, unterstützen Macron und könnten folgen.
3. Risiken und Chancen der Anerkennung
Die Anerkennung könnte die Position moderater Kräfte in den palästinensischen Gebieten stärken – oder aber radikalen Gruppen wie der Hamas Legitimität verschaffen. – Es drohen neue Gewaltspiralen, falls keine politischen und sicherheitspolitischen Bedingungen an die Anerkennung geknüpft werden.
Was ist die Zwei-Staaten-Lösung?
Die Zwei-Staaten-Lösung bezeichnet den völkerrechtlich und diplomatisch angestrebten Zustand eines friedlichen Nebeneinanders zweier Staaten – Israel und eines unabhängigen Staates Palästina. Ursprünglich von den Vereinten Nationen 1947 vorgeschlagen, sieht sie die Aufteilung des historischen Palästinas in zwei souveräne Staaten vor. Zahlreiche Friedenspläne der letzten Jahrzehnte basieren auf diesem Prinzip, doch die Umsetzung scheiterte bislang an politischen, religiösen und territorialen Konflikten.
Was ist die Hamas?
Die Hamas ist eine sunnitisch-islamistische Organisation, die im Gazastreifen faktisch die Regierung stellt. Sie wurde 1987 gegründet und geht aus der Muslimbruderschaft hervor. Die EU, die USA, Israel und weitere Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Die Gruppe lehnt das Existenzrecht Israels ab und führt regelmäßig Angriffe auf israelisches Gebiet durch. Der blutige Angriff vom 7. Oktober 2023 war der Auslöser des aktuellen Gaza-Kriegs.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Anzeige