Wadephul verteidigt deutsche Enthaltung – und entfacht Debatte über Glaubwürdigkeit der Außenpolitik
Während 28 Staaten, darunter enge EU-Partner wie Frankreich, Italien und Großbritannien, in einem gemeinsamen Appell ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen fordern, bleibt die Bundesregierung außen vor. Außenminister Johann Wadephul (CDU) verteidigt die deutsche Nichtunterzeichnung mit deutlichen Worten – und sorgt damit für heftige Reaktionen, nicht nur im In- und Ausland, sondern auch innerhalb der eigenen politischen Reihen.
„Niemand kann von uns verlangen, dass wir Israel im Stich lassen“, so Wadephul in der ZEIT. Deutschland sei nicht neutral, sondern „parteiisch“, betont er – man stehe „an der Seite Israels“. Damit macht der Minister unmissverständlich klar: Menschenrechtliche Appelle und die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung in Gaza haben für Berlin offenbar nicht oberste Priorität.
Kritik aus dem In- und Ausland
Der Kontrast zur internationalen Staatengemeinschaft ist eklatant. Selbst traditionell israelfreundliche Länder wie die Niederlande, Großbritannien und Frankreich traten dem Appell bei, in dem Israel aufgefordert wird, seine humanitär-völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und die drastischen Einschränkungen für Hilfslieferungen nach Gaza sofort aufzuheben. Die Erklärung spricht von einem „neuen Ausmaß“ des Leidens der palästinensischen Zivilbevölkerung.
Wadephuls Beharren auf deutscher Parteinahme wirkt in diesem Kontext wie eine Verweigerung diplomatischer Verantwortung. Seine Argumentation, man dürfe das „perfide Spiel der Hamas“ nicht unterstützen, greift zu kurz. Wer sich zum humanitären Völkerrecht bekennt, muss das Leiden Unschuldiger in jedem Krieg verurteilen – und nicht nur dort, wo es politisch opportun ist.
SPD fordert Kurskorrektur – Merz stellt sich hinter Wadephul
Auch innerhalb der Bundesregierung regt sich Widerstand: Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die Unterstützung des internationalen Appells. Doch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stärkte Wadephul den Rücken – und damit einen außenpolitischen Kurs, der zunehmend als einseitig, unflexibel und diplomatisch isoliert kritisiert wird.
Die Bundesregierung betont zwar, sich für einen Waffenstillstand und eine Verbesserung der humanitären Lage einzusetzen. Doch konkrete Handlungen – wie das Mittragen internationaler Initiativen – bleiben aus. Die Folge: Deutschland verliert an Glaubwürdigkeit als Vermittler und als Stimme für Menschenrechte.
Realitätsferne statt Realpolitik?
Wadephuls Hinweis, arabische Staaten sähen Deutschland als Einflusskraft auf Israel, wirkt angesichts der deutschen Untätigkeit zynisch. Einfluss zu haben, bedeutet auch, ihn konstruktiv zu nutzen – zum Schutz von Zivilisten, zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und zur Deeskalation. Stattdessen klammert sich Berlin an einseitige Loyalitäten, die politisch motiviert und außenpolitisch zunehmend isolierend wirken.
Die Weigerung, den Appell zu unterzeichnen, offenbart eine tiefgreifende Schieflage deutscher Außenpolitik. Ein klarer Appell zur Beendigung des Krieges – nicht anstelle der Sicherheit Israels, sondern als Bedingung für Frieden und Stabilität – wäre kein Bruch mit Solidarität, sondern ein Akt politischer Reife.
OZD
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Bild: AFP