Toronto. Chaos im kanadischen Flugverkehr: Ein massiver Streik der rund 10.000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter hat Air Canada am Samstag praktisch lahmgelegt. Die Airline strich alle rund 700 geplanten Flüge, auch die Tochterfirma Air Canada Rouge stellte den Betrieb ein. Am größten Flughafen des Landes in Toronto herrschte gähnende Leere.
„Air Canada bedauert die Auswirkungen des Streiks auf die Kunden zutiefst“, hieß es in einer Erklärung. Tickets sollen erstattet werden, doch für zehntausende Reisende bedeutet der Ausstand verpasste Urlaubs- und Geschäftsreisen. Täglich befördert Air Canada normalerweise rund 130.000 Passagiere in 180 Städte weltweit.
Gewerkschaft fordert mehr als nur Bordlöhne
Auslöser ist der Tarifkonflikt zwischen der Airline und der Gewerkschaft CUPE, die die Beschäftigten vertritt. Ihr Vorwurf: Das letzte Arbeitgeberangebot liege „unterhalb der Inflation und der Marktbedingungen“. Neben höheren Löhnen verlangt die Gewerkschaft auch Bezahlung für Aufgaben am Boden, etwa das Scannen von Bordkarten – Tätigkeiten, die bislang nicht vergütet werden.
Für die Beschäftigten geht es damit nicht nur ums Geld, sondern um Anerkennung und Wertschätzung. Branchenexperten bestätigen: Bei vielen Airlines gilt ausschließlich die Arbeitszeit an Bord als bezahlungsrelevant. Air Canada verteidigt dieses System, sieht sich nun aber unter Druck, weil die öffentliche Sympathie spürbar aufseiten der Streikenden liegt.
Regierung greift ein – doch Unsicherheit bleibt
Kanadas Arbeitsministerin Patty Hajdu reagierte mit einer Zwangsschlichtung. Beide Seiten sollen sich einem Verfahren unterziehen, das den Arbeitskampf beenden könnte. Doch das letzte Wort hat das Arbeitsgericht Canada Industrial Relations Board. Solange keine Entscheidung vorliegt, bleibt der Flugplan gestrichen – mindestens bis Sonntagnachmittag. Hajdu warnte, dass es Tage dauern könne, bis Air Canada wieder regulär fliegt.
Kommentar
Der Arbeitskampf bei Air Canada ist mehr als ein Tarifstreit. Er ist ein Symbol dafür, wie weit die Kluft zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern inzwischen reicht. Während das Unternehmen Milliardenumsätze erwirtschaftet und sich als Global Player positioniert, müssen die Flugbegleiter um eine faire Bezahlung kämpfen – sogar für Arbeitsstunden, die längst selbstverständlich vergütet sein sollten.
Für die kanadische Politik ist die Lage ein Balanceakt: Einerseits darf ein landesweiter Flugstopp nicht die Wirtschaft lähmen, andererseits würde ein zu hartes Eingreifen gegen die Gewerkschaft den sozialen Frieden gefährden. Klar ist: Der Imageschaden für Air Canada ist enorm. Und je länger der Stillstand anhält, desto mehr verliert die Airline an Vertrauen – bei ihren Mitarbeitern wie auch bei ihren Kunden.
OZD
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Bild: AFP