Nach einer Serie russischer Drohnen- und Luftraumverletzungen in Osteuropa drückt die EU beim Aufbau eines Abwehrsystems aufs Tempo. Ein europäischer „Drohnenwall“ habe „unmittelbare Priorität“, sagte EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius am Freitag in Helsinki. Ziel sei es, die Ostflanke der Union besser zu schützen. Erst am Donnerstagabend war der Flughafen Aalborg in Dänemark wegen eines Drohnen-Alarms gesperrt worden.
Der Plan sieht fortschrittliche Erkennungs-, Verfolgungs- und Abfangfunktionen vor. Momentan fehle es an wirksamen Erkennungssystemen, so Kubilius. Deshalb soll bis Ende 2026 ein Sensorennetzwerk fertiggestellt sein. Der Aufbau von Abfangsystemen werde jedoch mehr Zeit benötigen.
Das Projekt ist Teil einer umfassenderen Ostflankenstrategie der EU, die auch Bodenverteidigung, maritime Sicherheit in Ostsee und Schwarzem Meer sowie satellitengestützte Lagebilder umfasst. Kubilius kündigte an, beim EU-Gipfel Ende Oktober in Brüssel um „politische Unterstützung“ zu werben. Gleichzeitig müsse ein europäisches Finanzierungsinstrument bereitgestellt werden.
Die Ukraine will sich beteiligen. Verteidigungsminister Denys Schmyhal erklärte, sein Land habe im Krieg mit Russland wertvolle Erfahrung gesammelt und könne entscheidende Fähigkeiten einbringen. „Der Drohnenwall wird ein grundlegend neues Verteidigungsökosystem in Europa schaffen“, schrieb Schmyhal.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Vorschlag schon zuvor ins Spiel gebracht. Sie sprach von einer Einrichtung, die „gemeinsam entwickelt, gemeinsam eingesetzt und gemeinsam in Echtzeit reagieren“ müsse.
Die jüngsten Vorfälle in Dänemark verdeutlichen die Dringlichkeit. Regierungschefin Mette Frederiksen sprach von „hybriden Angriffen“. Moskau wies jede Verantwortung zurück. Dennoch haben die Zwischenfälle die Nervosität in Europa erhöht. Denn neben den Drohnen wurden auch russische Kampfjets gesichtet, die Lufträume von Estland und sogar eine deutsche Fregatte in der Ostsee überflogen.
OZD
OZD-Kommentar
Die EU ist spät dran, aber immerhin erwacht sie. Der „Drohnenwall“ ist
mehr als ein technisches Projekt – er ist ein Symbol dafür, dass Europa
erkennt, wie verletzlich es im Zeitalter hybrider Kriegsführung ist.
Drohnen legen Flughäfen lahm, Kampfjets provozieren Marineeinheiten,
während Moskau jede Verantwortung abstreitet. Doch Worte allein schützen
nicht. Ein Sensorennetz ist gut, aber ohne schlagkräftige Abwehr bleibt
Europa ein Spielball. Es droht, dass bis 2026 noch viele Zwischenfälle
folgen, die den Westen bloßstellen. Entschlossenheit bedeutet, nicht nur
Mauern aufzubauen, sondern Angreifern klare Konsequenzen in Aussicht zu
stellen.
OZD-Analyse
Die Bedrohungslage
– Russische Drohnen verletzen Luftraum in Polen, Rumänien, Estland
– Mehrfach Drohnenalarme in Dänemark, Sperrung von Flughäfen
– Überflüge russischer Aufklärer über deutsche Fregatte „Hamburg“
Die EU-Pläne
a) Aufbau eines Sensorennetzwerks bis 2026
b) Langfristiger Aufbau von Abfangsystemen
c) Teil einer Ostflankenstrategie mit Boden-, See- und Satellitenüberwachung
Politische Dimension
– EU-Verteidigungskommissar Kubilius fordert Finanzierung und Rückhalt
– Ursula von der Leyen spricht von gemeinsamer europäischer Einrichtung
– Ukraine bietet aktive Beteiligung und Expertise an
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Mini-Infobox
Projekt: Europäischer „Drohnenwall“
Ziel: Schutz der Ostflanke, Erkennung & Abwehr von Drohnen
Start: Planung 2024, Sensorennetz bis 2026
Beteiligte: EU-Staaten, Ukraine
Anlass: Russische Drohnen- und Luftraumverletzungen
Wer ist Andrius Kubilius?
Andrius Kubilius, geboren 1956, ist ein litauischer Politiker und seit
2024 EU-Verteidigungskommissar. Zuvor war er Ministerpräsident Litauens
(1999–2000 und 2008–2012) und Abgeordneter im EU-Parlament. Kubilius
gilt als scharfer Kritiker Russlands und befürwortet eine enge
Kooperation der EU mit der NATO. Seine Berufung zum
Verteidigungskommissar war ein Signal an Moskau, dass die EU ihre
Sicherheitsarchitektur stärken will.
Was ist der EU-Drohnenwall?
Der geplante „Drohnenwall“ ist ein europäisches Abwehrsystem gegen
unbemannte Fluggeräte. Es umfasst Sensoren, Radar- und Satellitentechnik
zur Früherkennung, aber auch Abfangsysteme wie Drohnenabwehrwaffen oder
elektronische Störsender. Ziel ist es, insbesondere die östliche Grenze
der EU gegen Angriffe oder Provokationen zu sichern. Langfristig soll
daraus ein integriertes Verteidigungsökosystem entstehen, das auch
NATO-Strukturen ergänzt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.