Die SPD will am geplanten Aus für neue Verbrennerfahrzeuge in der EU ab 2035 festhalten – und widerspricht damit offen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Bundesumweltminister Carsten Schneider machte im RBB-Inforadio deutlich, dass eine Abkehr vom Beschluss für ihn nicht in Frage komme. „Zu hoffen, dass etwas besser wird mit einer Technologie, die vor 100 Jahren erfunden wurde, überzeugt mich nicht“, sagte Schneider.
Auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas stellte sich hinter den Kurs der SPD. Nach einem Treffen mit Arbeitnehmervertretern aus der Autoindustrie erklärte sie, die Betriebe wollten „am Pfad der Elektromobilität festhalten“. Viele Unternehmen hätten längst in Zukunftstechnologien investiert und bräuchten nun politische Rückendeckung, um die Transformation abzusichern.
Die EU schreibt vor, dass Neuwagen ab 2035 kein CO₂ mehr ausstoßen dürfen – was faktisch das Ende des klassischen Verbrennungsmotors bedeutet. Während die SPD den Umstieg als Chance für neue Arbeitsplätze und Innovationen sieht, warnt die Union vor einer Überforderung der Industrie. Kanzler Merz kündigte an, sich auf EU-Ebene gegen das Verbot einsetzen zu wollen: „Ich möchte nicht, dass Deutschland zu den Ländern gehört, die an diesem falschen Verbot festhalten.“
Merz verwies zudem auf die Bedeutung von Dieselmotoren im Lkw-Bereich und auf mögliche Fortschritte bei synthetischen Kraftstoffen. „Das Verbot in dieser Form wäre ein schwerer Fehler“, sagte er in der ntv-Sendung Pinar Atalay.
SPD-Minister Schneider widersprach: „In zehn Jahren sieht die Welt ganz anders aus, was Technologie betrifft.“ Die Fortschritte bei Batterien seien rasant – moderne E-Autos könnten inzwischen 700 Kilometer weit fahren und in 20 Minuten wieder vollgeladen werden.
Unterstützung bekam die SPD auch von IG-Metall-Chefin Christiane Benner, die eine „volle Offensive für den Hochlauf der Elektromobilität“ forderte, gleichzeitig aber eine „gewisse Flexibilisierung der CO₂-Regeln“ anmahnte.
Am Donnerstag lädt Merz zum Auto-Gipfel ins Kanzleramt – mit dabei: SPD-Minister, Gewerkschaften und Vertreter der Autoindustrie. ozd
OZD-Kommentar:
Der Streit ums Verbrenner-Aus ist mehr als eine technische Debatte – er
ist ein Symbolkampf um Deutschlands Zukunft. Während Merz mit dem
Dieselmotor in die Vergangenheit blickt, setzen Schneider und Bas auf
Fortschritt und Wandel. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen: Ohne klare
Ziele droht die Autoindustrie zu straucheln, ohne Flexibilität zu
erstarren. Doch eines ist sicher: Wer jetzt zögert, riskiert, dass
Deutschland den Anschluss an die globale Mobilität der Zukunft verliert.
Mini-Infobox:
Thema: EU-Verbrenner-Aus ab 2035
SPD-Position: Festhalten am Aus, Fokus auf Elektromobilität
Union: Will das Verbot auf EU-Ebene kippen
Nächster Termin: Auto-Gipfel am Donnerstag im Kanzleramt
Ziel: Neuwagen ohne CO₂-Ausstoß
OZD-Analyse:
Der politische Konflikt
– SPD: Transformation als Chance für Industrie und Klima.
– Union: Verbrenner-Aus gefährdet Arbeitsplätze und Technologieoffenheit.
Wirtschaftliche Perspektive
– a) Investitionen in Batterieforschung und E-Produktion steigen stark.
– b) Kleinere Zulieferer stehen jedoch vor existenziellen Herausforderungen.
– c) Gewerkschaften fordern Unterstützung bei Umschulung und Arbeitsplatzsicherung.
Der globale Kontext
– Während China und die USA massiv in E-Mobilität investieren, droht Europa ins Hintertreffen zu geraten.
– Deutschland muss entscheiden, ob es Vorreiter bleibt – oder Zuschauer wird.
Wer ist Carsten Schneider?
Carsten Schneider, geboren 1976 in Erfurt, ist seit 2021 Bundesminister
für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Der SPD-Politiker gilt
als pragmatischer Modernisierer, der die Energiewende mit
Industrieinteressen in Einklang bringen will.
Was ist das EU-Verbrenner-Aus 2035?
Das EU-Gesetz sieht vor, dass ab 2035 keine Neuwagen mit CO₂-Ausstoß
mehr zugelassen werden dürfen. Damit sollen die Klimaziele der EU
erreicht werden. Für bestehende Fahrzeuge gilt das Verbot nicht. Die
Regelung ist Teil des „Fit-for-55“-Programms zur Senkung der Emissionen
um 55 % bis 2030.
OZD-Extras:
Fun Fact: Laut einer
aktuellen EU-Studie könnten Elektroautos bis 2030 rund 70 % günstiger im
Unterhalt sein als Verbrenner – vorausgesetzt, der Strom bleibt
bezahlbar.**
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.