Ein historischer Tag für Japan: Sanae Takaichi ist als erste Frau in der Geschichte des Landes zur Ministerpräsidentin gewählt worden. Das Unterhaus des japanischen Parlaments stimmte am Dienstag mit deutlicher Mehrheit für die 64-jährige Vorsitzende der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP). Auch das Oberhaus bestätigte sie kurz darauf in einer Stichwahl. Nach der formellen Ernennung durch Kaiser Naruhito wird Takaichi offiziell ihr Amt antreten.
Die Abstimmung gilt als Wendepunkt in der politischen Geschichte Japans. Seit Jahrzehnten wurde das Land fast ausschließlich von männlichen Regierungschefs geführt – nun bricht Takaichi mit dieser Tradition. Mit ernster Miene und mehrfacher Verbeugung nahm sie die Wahl entgegen. Ihre Worte nach der Abstimmung klangen kämpferisch: Japan müsse „ein Land werden, das Verantwortung für kommende Generationen übernimmt“.
Takaichi führt als fünfte Regierungschefin binnen fünf Jahren eine Minderheitsregierung. Die LDP bleibt zwar stärkste Kraft im Parlament, verlor zuletzt aber erheblich an Rückhalt. Erst durch ein neues Bündnis mit der rechtsgerichteten Oppositionspartei JIP konnte sie die politische Krise nach dem Bruch mit der Komeito-Partei überwinden.
Die neue Regierungschefin steht für klare Konturen: Als nationalistische Hardlinerin gilt Takaichi als Verfechterin einer robusten Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie hatte wiederholt Chinas militärische Aufrüstung im asiatisch-pazifischen Raum kritisiert und eine Stärkung der japanischen Wirtschaft angekündigt. Themen wie Migration und nationale Identität sollen unter ihrer Führung stärker in den Fokus rücken.
Eine ihrer ersten Bewährungsproben steht bereits bevor: In der kommenden Woche wird US-Präsident Donald Trump zu einem Staatsbesuch in Tokio erwartet. Beobachter erwarten, dass Takaichi versuchen wird, Japans Rolle als transatlantischen Sicherheitsanker zu festigen – und zugleich auf wirtschaftliche Eigenständigkeit zu pochen.
Im Inneren will sie Japan modernisieren. Sie kündigte an, den Frauenanteil in der Regierung deutlich zu erhöhen – „auf nordisches Niveau“, wie sie betonte. Unter ihrem Vorgänger Shigeru Ishiba waren lediglich zwei Frauen im Kabinett vertreten.
OZD-Kommentar:
Japans Machtwechsel ist ein Symbol – aber auch ein Risiko. Sanae Takaichi steht für Stärke, Disziplin und nationale Selbstbehauptung. Doch ihr Weg ist schmal: Zwischen dem Wunsch nach Erneuerung und der Gefahr der Polarisierung. Ihr konservativer Kurs wird Japan international profilieren – innenpolitisch könnte er aber neue Gräben reißen. Wenn sie den Balanceakt zwischen harter Verteidigungspolitik und echter Gleichstellung schafft, könnte sie Geschichte schreiben. Scheitert sie, droht Japan der Rückfall in alte Machtstrukturen.
Mini-Infobox:
Name: Sanae Takaichi
Alter: 64 Jahre
Partei: Liberaldemokratische Partei (LDP)
Koalition: LDP + JIP (Minderheitsregierung)
Erstes Ziel: Wirtschaft stärken, Sicherheitsstrategie ausbauen
OZD-Analyse:
Politische Bedeutung
– a) Erste Frau an der Spitze Japans – historischer Meilenstein.
– b) Symbol für den gesellschaftlichen Wandel in einem patriarchalisch geprägten System.
– c) Risiko einer instabilen Minderheitsregierung.
Außen- und Sicherheitspolitik
– a) Harte Linie gegenüber China und Nordkorea.
– b) Stärkung der Kooperation mit den USA und Nato-Partnern.
– c) Ziel: Japan als eigenständigen Sicherheitsakteur positionieren.
Innenpolitische Agenda
– a) Erhöhung des Frauenanteils im Kabinett.
– b) Wirtschaftliche Reformen und digitale Modernisierung.
– c) Strengere Haltung bei Migration und Tourismus.

Wer ist Sanae Takaichi?
Sanae Takaichi wurde 1961 in Nara geboren und ist seit Jahrzehnten eine prägende Figur der japanischen Rechten. Sie war Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit und gilt als politische Schülerin des früheren Premiers Shinzo Abe. Takaichi ist bekannt für ihren konservativen Kurs, ihre Loyalität zur LDP und ihr Bestreben, Japans Verteidigungspolitik zu stärken.
Was ist die Liberaldemokratische Partei (LDP)?
Die LDP ist seit den 1950er-Jahren die dominierende politische Kraft Japans. Sie steht für wirtschaftlichen Pragmatismus, nationale Sicherheit und traditionelle Werte. Trotz sinkender Zustimmung bleibt sie aufgrund ihrer Parteistruktur und regionalen Verankerung ein Machtfaktor im Land.
OZD-Extras:
Fun-Fact: Sanae Takaichi ist leidenschaftliche Gitarristin – in ihrer Jugend trat sie in einer Rockband auf und spielt noch heute regelmäßig bei politischen Veranstaltungen
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.